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lunedì 31 dicembre 2018

Der Jahreswechsel. Ein absurdes Theaterstück

VORSPIEL

Stimme aus dem Off: Im Traum. Verschwommen, teilweise rekonstruiert, teilweise gekürzt. 

In einem geräumigen, etwas heruntergekommen aussehenden Bad mit hellvioletten Wänden. Zwei Frauen treten ein und unterhalten sich auf Englisch. 
Frau 1: Good work, thank you for your help. 
Frau 1 verabschiedet Frau 2, Frau 2 geht. 

Frau 1: Und nun zu uns. Liebes... 
Stimme aus dem Off: Verschwommen
Frau 1: Ich hätte mir gewünscht, Du wärst mal wiedergekommen und hättest mich nicht allein stehen lassen. 
Ich: Es tut mir leid, dass ich Dich im Stich gelassen habe. Das war...
Stimme aus dem Off: Rekonstruiert
Ich:...gedankenlos von mir. Sorry for having been so thoughtless.
Frau 1: Nein, es war auch faul. Du wolltest nicht mithelfen. 
Ich: OK, it was also lazy. I'm sorry for having been thoughtless and lazy. 
Stimme aus dem Off: Gekürzt. 

In einem Studentenzimmer.

Ich: Ich habe geträumt, eine mir wichtige Person wäre wütend auf mich, weil ich sie im Stich gelassen hätte, und wir hätten uns über den richtigen Terminus, das heißt: sowohl den richtigen Begriff als auch die richtige Benennung - gestritten, oder wohl eher gemeinsam (ich habe versucht, kooperativ zu sein, um mehr Ärger zu vermeiden, wie immer) durch Hinzufügen von Begriffsmerkmalen die Intension des Begriffs für mein Fehlverhalten so zu erweitern, bis sie halbwegs zufrieden schien, und eine passende Benennung dafür zu finden. 

Stimme aus dem Off: Im Traum. Fortsetzung. 

Frau 1 und ich sind im Bad, ich bewege mich zum Ausgang, Frau 1 folgt mir in 2 Metern Abstand.  

Ich: Es tut mir wirklich leid, ich weiß nicht, wie soll ich... 

Frau 1 ist plötzlich nicht mehr da. An ihrer Stelle steht eine mir unbekannte kleine, für ihre Verhältnisse hellhäutige Schwarzafrikanerin da. 

Ich: ...wie soll ich das... ich weiß nicht...ich hasse mich! 

Schwarzafrikanerin (mit Akzent): Ich finde besser jetzt.

1. AKT

In einem Studentenzimmer. Ich liege im Bett und richte mich auf. 

Ich: Besser? Vermutlich meinte sie, sie finde mein Fehlverhalten schon gar nicht mehr so schlimm. Tatsächlich können weniger schlimm und besser parallel sein - sie zeigen beide eine Steigung an, nur ist besser eben im ersten Quadranten und weniger schlimm im vierten.  Oder im dritten? Und wer sagt, dass besser nur im ersten Quadranten sein kann und nicht im zweiten? Kommt auf die x-Achse an, aber was ist überhaupt x? 

(Ich gehe zu einer Wand / einem karierten Flipchart, zeichne ein Koordinatensystem und zeige, was ich meine.) 

Ist ein Koordinatensystem nicht vielleicht zu hoch gegriffen? Eine einfache Skala hätte sicherlich genügt. Vielleicht irre ich mich auch, denn Skalen können ja bekanntlich heruntertransformiert werden, aber nicht herauf - und vielleicht gilt das auch für andere Messinstrumente? Vielleicht ist die übliche Darstellung von schlecht - gut, oder schlimm - gut auf einer Skala einfach eine heruntertransformierte Variante und es ist eine Darstellung auf einem Koordinatensystem möglich? Ist schlimm vielleicht auf einer anderen Achse zu verorten als schlecht, oder aber auf derselben Achse und nur weiter unten? Fragen über Fragen...

Zwei Gestalten treten ein, eine trägt  einen Stapel Handouts von Sandhya Sundaresan, die andere, das Buch Grenzen der Mathematik von Dirk W. Hoffmann.  

Stimme aus dem Off: Es treten auf: Logik für Linguisten von Sandhya Sundaresan und Grenzen der Mathematik von Dirk W. Hoffmann, oder: Formale Logik light und Formale Logik. 

Formale Logik: Formale Systeme 
Formale Logik light: Formal systems have vocabulary, syntax and semantics. 
Formale Logik: Die Syntax definiert, nach welchen Regeln die Ausdrücke (Formeln) aufgebaut sein müssen, die sich innerhalb des Kalküls erzeugen und manipulieren lassen. Die Semantik bestimmt, wie wir die einzelnen Bestandteile einer Formel zu interpretieren haben, und verleiht Formeln hierdurch eine Bedeutung. Erst die Wahl einer konkreten Interpretation berechtigt uns dazu, von wahren und falschen Formeln zu sprechen. 
Formale Logik light: I said that, too! The truth value of a statement in predicate logic is not simply True or False but True or False relative to a particular model (say M). We sometimes emphasize this idea of relativized truth-value by adding our choice of model as a superscript to the denotation of an expression. 
Stimme eines Gegenwartsphilosophen: This is correct for all kinds of logic, shut up, silly. 

Ich: Also kommt es auf das Modell oder die Interpretation von besser oder schlechter oder schlimm oder weniger schlimm an, ob wir ein Koordinatensystem oder eine Skala dafür nehmen und ob die im ersten oder dritten oder zweiten oder vierten Quadranten sind. Wenn wir ein Koordinatensystem nehmen, meine ich. Aber ist nicht das Koordinatensystem die Formel und die Interpretation die Terme, äh, was erzähl ich da fürn Mist, ich meine ist nicht das Koordinatensystem das Prädikat und besser und schlechter und so sind die Terme, und wenn die von der Interpretation abhängen müssten das individuelle Variablen sein und keine individuellen Konstanten, das könnte funktionieren...hilfe, es gleitet mir aus der Hand, Sino, Siiiinooooo!

Sinoël Dohlen erscheint nicht. 

Stimme eines Gegenwartsphilosophen: Was schwätzt das Weib? 

Formale Logik light: I talked about individual variables and individual constants! 
Ich: Ja, in dem Buch war von Tupeln die Rede. Terme, Funktionselemente und Prädikate, glaube ich. 
Formale Logik: Eine prädikatenlogische Signatur ist ein Tripel. Dieses besteht aus einer Menge von Variablen, einer Menge von Funktionssymbolen! (sieht mich strafend an), einer Menge von Prädikaten. Jede Funktion und jedes Prädikat besitzt eine feste Stelligkeit. 
Formale Logik light: The vocabulary of predicate logic consists of the following: Individual constants (represented with lower-case letters), individual variables (also represented with lower-case letters), predicates (represented with upper-case letters), logical connectives, quantifiers. 
Ich: Formale Logik light hat eins mehr! Also dann sind die Konnektoren die Funktionssymbole und die Quantoren auch, oder was extra? Ich kriegs nicht mehr hin, ich glaub ich geh ins Bett.

2. AKT

Ein paar Tage später. 
Stimme aus dem Off: Enter Greg Kobele.
Greg Kobele: Adjectives are properties, they are functions from individuals to truth values.
Sandhya Sundaresan: I will say that too next semester!
Ich: Stimmt! Das sieht doch schon mal besser aus. Wenn sie aber Funktionen sind, dann dürfen sie für jeden Wert auf der x-Achse nur einen Wert auf der y-Achse haben, also muss man die Skala von schlecht bis gut auf die y-Achse verlegen. Eine Skala muss ja nicht zwingend von unten nach oben gehen, oder? Oder wir sagen, es ist eine Relation oder eine Funktion von Y zu X. Ich bin eine Frau, ich muss die Landkarte drehen...
Stimme aus dem Off: Die Stimme des Gegenwartsphilosophen ist da, aber wird verdrängt.
Ich: Ach nee, das ist zu kompliziert. Sagen wir, schlecht bis gut liegt auf der x-Achse. Keine Angst vor Landkarten. Dann liegt besser im zweiten oder vierten Quadranten und weniger schlimm im ersten oder dritten.
Stimme aus dem Off: Enter Graham Hutter.
Graham Hutter: How do you implement this in Haskell?
Ich: 
better :: [Int] -> [Int]
better = filter even [1,2,3,4]
  where
  filter :: [Int] -> [Int]  
  filter  n xs = (take n xs, drop n xs) 
  even :: Int -> Bool 
  even n = mod (n)(2) == 0 
-- Oh fuck, does that even work? Even spits out the wrong argument for filter, doesn't it? I'd have to define them differently...
Graham Hutter: 
filter :: (a-> Bool) -> [a] -> [a] 
filter p xs = [x | x <- xs, p x] 
Now you try defining it recursively. Remember: 1.) Declare the type, 2.) Enumerate the cases, 3.) Define the simple cases, 4.) Define the other cases, 5.) Generalize and simplify.
Ich:
filter :: (a -> Bool) -> [a] -> [a]
-- Now that was easy. 
filter p [] = []
filter p x: xs | p x = x : filter xs 
                     | otherwise = filter xs 
--I doubt this is right but can't think of anything better, I'm such a loser 
Graham Hutter: Why, you got it almost right. Only that it's
                    | otherwise = filter p xs 
Ich: Yeah, of course. Hell, I'm dumb. That's what we call Flüchtigkeitsfehler in German... Anyway...ich sag das mal auf Deutsch, ich kenn die mathematische Terminologie nicht auf Englisch. Mit dem Code bekommt man nur aus einer Liste von Quadranten die beiden richtigen heraus. Woher soll man aber wissen, dass damit Quadranten gemeint sind? Das muss vermutlich in das type class constraint rein. Ach nee, dann müsste man ja neue type classes definieren... Aber ich war ja noch gar nicht fertig. Die Frage ist ja, ob besser tatsächlich im ersten und im zweiten Quadranten ist oder nur im ersten, und weniger schlimm in allen anderen.

Stimme aus dem Off: Enter Linguistische Grundlagen, Hecks Folien.
Hecks Folien: Na endlich. Ich warte seit Ende letzten Jahres darauf, dass Sie das kapieren. Das nennt man nämlich Elsewhere-Verteilung.

Ich: Schon gut, schon gut. Nur ist die Frage, ob das Sinn ergibt. Die Engländer verstehen besser ja  teilweise im Sinne von weniger schlimm  ("Your German is so much better than it used to be" versteht so ein Engländer als "Dein Deutsch war am Anfang aber echt besch...euert, mittlerweile ist es wenigstens ohne Ohropax erträglich"). Womit wir wieder bei der Afrikanerin wären. Vielleich kommt sie ja aus einem Land mit Englisch als Amtssprache? Oder das ist einfach eine typische Kiste in den Sprachen der Welt. Wie würde Frau Stiebels sagen? Nicht Kiste, sondern...ein typisches Phänomen.
Warum nehmen wir besser und weniger schlimm nicht als zwei Mengen, und der zweite Quadrant ist deren Schnittmenge?
Sandhya Sundaresan: Draw a Venn diagram!
Ich: Sorry, I can't do this here, this ain't LaTeX (and I'm too dumb for LaTeX anyway).

Stimme aus dem Off: Befürchtung.
Stimme von Barbara Stiebels: Ja hätten Sie...
Ich: Schuldigung, bitte keine Vorwürfe, ich mach mir doch selbst schon welche. Bitte, bitte, geben Sie mir Zeit, ich hab es so satt, mit niedergeschlagenen Augen und schlechtem Gewissen durch die Gegend zu laufen
Stimme von Barbara Stiebels: Das müssten Sie auch nicht, wenn Sie...
Ich: Sie sind bloß eine Stimme, mit Verlaub, und es bringt mir herzlich wenig, wenn ich Ihnen jetzt zuhöre. Erzählen Sie mir lieber etwas von Semantik oder Pragmatik. Oder meinetwegen lexikalischen Kategorien. Dann höre ich Ihnen auch zu. Ja, ich komm zwar nicht mehr, aber ich lese Ihre Handouts.
Stimme von Jochen Trommer: Ähm...
Ich: Fragen Sie mich in drei Wochen noch mal. Wo waren wir stehen geblieben? Ah richtig, das Venn-Diagramm. Also als Kreis lässt sich weniger schlimm schlecht darstellen, wenn es drei um die Ecke liegende Quadranten umfassen soll. Aber wer sagt, dass Mengen nur in konvexen Räumen...oder umfasst weniger schlimm etwa alle Quadranten und besser eben nur einen oder zwei und wäre damit eine echte Teilmenge (proper subset) von  weniger schlimm? Dann wäre die Verwendung von besser im Sinne von weniger schlimm ja ein pars pro toto, und zwar nicht zu knapp!

giovedì 27 dicembre 2018

Betonungsmuster im Italienischen

Eine der schwierigsten Angelegenheiten ist im Italienischen die Betonung von Wörtern. Während ein Wort im Französischen grundsätzlich auf der letzten und im Hessischen grundsätzlich auf der ersten Silbe betont wird, hat das Italienische keinen festen Wortakzent - die Betonung kann bei Nomen auf einer der letzten drei und bei Verben sogar auf einer der letzten vier Silben liegen. Üblicherweise - so hat es uns Prof. Alessandro Martini an der Université Lyon III beigebracht - wird auf der vorletzten Silbe betont, das ist aber nur eine Tendenz und man muss die Betonung für jedes Wort einzeln mit lernen. 
Nun stellt sich die Frage: Gibt es denn nicht doch irgendwelche Gesetzmäßigkeiten? 

Generell haben Sprachen ohne festen Wortakzent oft Betonungsregeln wie: Jede gerade Silbe wird betont, es sei denn, sie ist am Wortende, oder: Jede Silbe, die auf einen bestimmten Laut endet, wird betont. Nur ist justament im Italienischen die Betonung stark lexikalisch bedingt, d.h. am einzelnen Wort festzumachen und nicht durch allgemeine phonologische (oder morphologische) Regeln ableitbar. Allerdings hat - wie es einer so musikalischen Sprache wie dem Italienischen gebührt - die Metrik auch ein Wörtchen mitzureden. Genauer gesagt können zwei Faktoren das Betonungsmuster beeinflussen: die Anzahl der Silben und ob die Silben schwer oder leicht sind (Silbengewicht). 

Welche Silben schwer und welche leicht sind, ist von Sprache zu Sprache unterschiedlich. Im Italienischen ist eine Silbe schwer, wenn sie auf einen Konsonanten endet, z.B. [aŋ] in [aŋ.ko.ra] (ancora, ‘noch’, [ŋ] bezeichnet in der IPA-Lautschrift den ng - Laut, der im Deutschen in Wörtern wie Engel oder Enkel vorkommt), Silben, die auf Vokale enden, sind hingegen leicht.

Und wie genau funktioniert jetzt die Betonung? 

Beginnen wir mit dem einfachsten Fall. Auf der letzten Silbe wird ein Wort betont, wenn diese
a.  schwer ist
b.  Teil des Wortstammes ist, der nicht flektiert wird (wie z.B. però, virtù)
oder
c. ein betontes einsilbiges Wort ist (z.B. gas, blu)
Die Betonung schwerer Silben am Wortende ist allerdings nicht obligatorisch, zum Beispiel kann festival sowohl auf der letzten (fes.ti.val) als auch auf der vorvorletzten Silbe (fes.ti.val) betont werden. Auch die Regel, invariable Wörter auf der letzten Silbe zu betonen, bleibt nicht ohne Ausnahme, rosa und viola werden z.B. auf der vorletzten Silbe betont. (Mehr dazu hier). 
Das untypische Betonungsverhalten dieser beiden invariablen Adjektive kann allerdings damit zusammenhängen, dass sie  von Nomen abgeleitet sind, welche ihrerseits Flexion zulassen bzw. erfordern (la rosa, le rose). 
Solche von Pflanzennamen abgeleiteten Farbadjektive gibt es auch im Deutschen und Katalanischen, und in beiden Sprachen schreibt der Standard invariable Formen vor (zwei rosa Hemden, dues samarretes rosa), nebenher existieren jedoch auch variable Substandardformen (zwei rosane Hemden, dues samarretes roses). Im Deutschen kann man zudem invariable Farbadjektive mithilfe des Suffixes -farben oder -farbig variabel machen, ohne vom Standard abzuweichen (zwei rosafarbene / rosafarbige Hemden). Das Katalanische hat diese Möglichkeit nicht, dafür sind die variablen Formen dort so verbreitet, dass ihre invariablen Entsprechungen von vielen Katalanen als befremdlich empfunden werden (ungefähr so wie wegen des Regens in Bayern), und im Valencianischen gehören die variablen Formen sogar zur Standardsprachen. (Ein ausführlicher Eintrag in katalanischer Sprache zu invariablen Adjektiven im Katalanischen und Deutschen findet sich hier.)

Kommen wir zu der schwierigeren Frage: Wann wird ein Wort auf der vorletzten und wann auf der vorvorletzten Silbe betont?
Dieser Frage ist KRÄMER (2006) auf den Grund gegangen. Dazu hat er Nonsense- Wörter (Wörter, die es im Italienischen nicht gibt, die aber wie italienische Wörter klingen) mit bestimmten Folgen von leichten und schweren Silben konstruiert (L steht für leichte Silbe, H steht für schwere Silbe [heavy syllable], die Punkte stehen für die Silbentrennung):
Abk.
Beschreibung
Beispiel
LL
beide Silben sind leicht
pra.co
LLL
alle drei Silben sind leicht
fru.da.lo
LLLL
alle vier Silben sind leicht
pi.cu.to.pa
HL
die erste / vorletzte Silbe ist schwer, die zweite ist leicht
svap.pa
HLL
die vorvorletzte Silbe ist schwer, die vorletzte und letzte Silbe sind leicht
brom.bu.lo
LHL
die vorletzte Silbe ist schwer, die vorvorletzte und letzte Silbe sind leicht
gro.tul.fo
HHL
die vorvorletzte und vorletzte Silbe sind schwer, die letzte Silbe ist leicht
giom.pic.co
Nun mussten italienische Muttersprachler diese Wörter aussprechen. Dabei ist Folgendes herausgekommen:
  • Die zweisilbigen Wörter (LL, HL) wurden immer auf der ersten, also vorletzten Silbe betont
  • Die dreisilbigen Wörter mit einer schweren vorletzten Silbe (LHL, HHL), wurden immer auf ebendieser schweren vorletzten Silbe betont, und tatsächlich gibt es laut KRÄMER (2006) nur ganz wenige “echte” italienische Wörter mit einer schweren vorletzten Silbe, die nicht auf dieser vorletzten Silbe betont werden. 
  • Die viersilbigen Wörtern mit lauter leichten Silben (LLLL) wurden in 91,7% der Fälle auf der vorletzten (Penultima) und in 8,3% der Fälle auf der vorvorletzten Silbe (Antepenultima) betont.
  • Die dreisilbigen Wörtern mit einer schweren vorvorletzten Silbe und einer leichten vorletzten und letzten Silbe (HLL) wurden in 71% der Fälle auf der vorletzten und in 29% der Fälle auf der vorvorletzten Silbe betont
  • Die dreisilbigen Wörtern mit lauter leichten Silben (LLL) wurden in 55,1% der Fälle auf der vorletzten und in 44,9% der Fälle auf der vorvorletzten Silbe betont (in einem anderen Papier von KRÄMER war sogar von 53% Betonung auf der vorvorletzten und “nur” 46% auf der vorletzten Silbe die Rede), bei diesen Wörtern waren sich die Sprecher selbst nicht sicher. Dies ist laut KRÄMER (2006) zu erwarten, da die Betonung im Italienischen nun einmal lexikalisch bedingt ist. 

Die Moral von der Geschicht: Eine eindeutige Regel gibt es nicht. Beim Auswendiglernen sollte man sich allerdings auf mehrsilbige Wörter konzentrieren, die flektiert werden können und  deren letzte und vorletzte Silbe leicht sind (d.h. auf einen Vokal enden). 

Betonte Einsilber

Betonung auf der letzten Silbe

Invariable Wortstämme
Ausnahmen wie rosa, viola
Letzte Silbe endet auf Konsonant
Oft auch Betonung auf anderen Silben möglich
Zweisilber
Betonung auf der vorletzten Silbe
Vorletzte Silbe endet auf Konsonant
Vorletzte Silbe endet auf Vokal
Besser nachschlagen!

Den Rest kann man fürs Erste getrost links liegen lassen, es handelt sich dabei um statistische Ausreißer und wenn man die versemmelt, werden die Italiener es einem wohl kaum übel nehmen, zumal sie sich, wie wir gesehen haben, bisweilen selbst nicht entscheiden können. 

lunedì 3 dicembre 2018

Lingue regionali italiane (lista di fonti digitali)

Emiliano (EGL)
Lombard (LMO)


Variazzione taliane merediunale ntermedie / Napulitano (NAP)
Léngua napulitana - Lengua napolitana: https://www.facebook.com/Lalenguanapolitana/


Sardu (SRO)
Sicilianu (SCN)
Cademia siciliana - Facebook: https://www.facebook.com/cademiasiciliana/


Veneto (VEC)
Academia de  ła bona creansa: https://www.academiabonacreansa.eu/
Par no dexmentegar - Facebook: https://www.facebook.com/ParNoDexmentegar/

venerdì 2 novembre 2018

Zur Habilitation von Elia Hernández Socas: Der Aufzug

Ein Aufzug heißt Aufzug, weil er uns auf(wärts) zieht. Das Verb ziehen drückt eine Bewegung und deren Art und Weise, das Präfix auf- die Richtung aus, wie es einer Satellitenrahmensprache gebührt.  Im Italienischen heißt der Aufzug ascensore - von ascendere, was 'aufsteigen' bedeutet, die Richtung wird also -ganz im Sinne einer Verbrahmensprache - durch das Verb ausgedrückt. Nicht?
Moment mal: scendere ohne a- bedeutet  'absteigen' (vgl. [fr] descendre und [en] to descend / [it] discendere - 'abstammen'.) Hat scendere etwa ursprünglich nur eine Bewegung ausgedrückt und die Präfixe di- bzw. de- und a- waren für die Richtungen zuständig? Wäre dem so, dann verhielten sich erstens die romanischen Sprachen satellitenrahmensprachlicher, als es uns vielleicht lieb wäre, und zweitens würde dies Hᴀʀᴀʟᴅ Sᴄʜᴇᴇʟ freuen, der nimmt ja an, dass romanischsprachige Lexeme ambiger sind (weniger inhärente semantische Merkmale beinhalten, mehr Merkmale durch den Kontext zugewiesen bekommen) als diejenigen germanischer Sprachen...
Treccani spricht:
ascéndere v. intr. [dal lat. ascendĕre, comp. di ad- e scandĕre «salire»]
discéndere v. intr. e tr. [lat. descendĕre, comp. di de- e scandĕre «salire»]
scéndere v. intr. e tr. [tratto da discendere, per riduzione di prefisso].
scandĕre  bedeutet also 'aufsteigen', während scendere (als Kurzform von discendere, das sich - siehe oben - semantisch verschoben hat) 'absteigen' bedeutet. Kurioserweise sagen wir ja auch auf-steigen und ab-steigen ('-' bezeichnet die Morphemgrenze).
ad- gibt die Richtung 'zu etwas hin' und de- die Richtung 'von etwas weg' an. Das Lateinische scheint sich also sowohl satelliten- als auch verbrahmensprachlich zu verhalten: Während das Verb scandĕre - wie steigen (ohne auf und ab) - die Richtung auf der Y-Achse eines dreidimensionalen Koordinatensystems (nach oben) angibt, erfährt man über die Präfixe ad- und de- die Richtung auf der x-Achse (nach vorn oder aber nach hinten). Nur: Wo ist die z-Achse abgeblieben? Habe ich etwas übersehen? Hatte da jemand eine Rechts-Links-Schwäche? Oder hätte ein zweidimensionales Koordinatensystem ausgereicht? Vermutlich entweder Ersteres oder Dritteres (ich bin müde, kann aber vor lauter Aufregung nicht schlafen, also sei mir ein Neologismus gestattet.)
Unterdessen beschränkt man sich im Deutschen wie in der Romania nicht darauf, den Aufzug über die Richtung zu definieren: man kennt ihn hierzulande auch als Fahrstuhl (ist doch logisch: ein Stuhl zum Fahren - analog sei das Zeug aufgeführt, das ebenfalls zum Fahren oder gar zum Fluge dient, gleichermaßen kann man den Schrank nennen, in dem man seine Lebensmittel kühlt, oder den Wagen, in dem man die Kranken transportiert), und in einer neapolitanischen Varietät - oder, um der UNESCO-Terminologie Genüge zu tun: in einer Varietät des gruppo linguistico meridionale intermedio ('mittig südliche Sprachgruppe', 'Sprachgruppe des mittleren Südens') nennt man den Aufzug o tram a muro (mehr dazu hier).




venerdì 28 settembre 2018

Aver vissuto vs essere vissuti


Dopo aver pubblicato qualche articolo di natura affermativa in lingua catalana e tedesca, spero mi sia permesso di esprimere un dubbio in una lingua che mi aggrada ma le mie conoscenze (o dovrei piuttosto dire: sconoscenze?) della quale  - ahimè! - sono (ancora?) limitatissime. 

Secondo questo video di Sgrammaticando, aver vissuto esprime  l'oggetto (1),  lo spazio (2),   il tempo (3) e la qualità (4, 5) del proprio vivere, mentre essere vissuti ne esprime  il luogo (2) la durata (3) e il modo (4). Gli esempi proposti da Fiorella Atzori sono i seguenti:


(1a) Ho vissuto una brutta esperienza
(1b) *Sono vissuta una brutta esperienza

(2a) Ho vissuto in Australia
(2b) Sono vissuta in Australia


(3a) Ho vissuto due anni in Francia
(3b) Sono vissuta due anni in Francia


(4a) Ho vissuto in povertà
(4b) Sono vissuta in povertà


La conclusione: In tre dei quattro casi menzionati qui sopra sono corrette entrambe le forme, ma quando si usa l'ausiliare essere si deve fare la concordanza (egli è vissuto, ella è vissuta, essi sono vissuti, esse sono vissute).
Una conclusione perfettamente soddisfacente per la maggior parte degli stranieri, immagino - ma essendo io una di quei stranieri rompi..., non riesco ad accontentarmene, e partendo dall'ipotesi che non ci sarebbero due forme diverse per esprimere più o meno la stessa cosa se non ci fosse qualche sottile differenza tra i loro significati mi si pone la questione: Quali sono queste differenze concettuali tra spazio e luogo, tra tempo e durata, tra qualità e modo?  Ci sono contesti nei quali l'uso dell'uno o dell'altro ausiliare è più comune, o locuzioni che richiedono l'uno e non ammettono l'altro?

Correggetemi se faccio degli errori ma non offendetevi - abbiate pazienza con me! Grazie in anticipo! 







martedì 18 settembre 2018

Blanca Busquets - Das Fremde verstehen und daraus lernen


Das Faszinierende an der Literatur ist, dass es den Schriftstellern gelingt, die Kultur eines Landes und das Innere der Menschen in köstlichen Sprachbildern einzufangen wie schillernde Insekten in goldgelbem Bernstein. Blanca Busquets i Oliu ist darin Meisterin. Die katalanische Schriftstellerin, Journalistin und Philologin wurde 1961 in Barcelona geboren und ist in dem katalanischen Dorf Cantonigròs verwurzelt,  hat aber lange in Pamplona im Baskenland gelebt, wo sie in einer französischen Schule zuerst in französischer, dann in spanischer Sprache lesen und schreiben lernte. Von dort an sollte neben der Musik (sie wirkte in zahlreichen Chören und bei Musikprogrammen in Radio und Fernsehen mit und ist Gründerin des internationalen Musikfestivals von Cantonigròs) das geschriebene Wort ihr ganzes Leben bestimmen: Mit zwölf Jahren schrieb sie ihre erste Erzählung und später neun Romane, allesamt auf Katalanisch, in der Sprache ihrer Heimat.

Presó de neu. Barcelona: Proa, 2003.
El jersei. Barcelona: Rosa dels Vents, 2006. 
- Deutsche Übersetzung (2001): Die Woll-Lust der Maria Dolors. DTV 
Tren a Puigcerdà. Barcelona: Rosa dels Vents, 2007.
Vés a saber on és el cel. Barcelona: Rosa dels Vents, 2009. 
- Deutsche Übersetzung (2011): Bis dass der Zufall uns vereint. DTV
La nevada del cucut. Barcelona: Rosa dels Vents, 2010.
La casa del silenci. Barcelona: Rosa dels Vents, 2013. Deutsche Übersetzung (2015): Die Partitur des Glücks. Bastei Lübbe
Paraules a mitges. Barcelona: Rosa dels Vents, 2014. Deutsche Übersetzung (2016): In jener sternenklaren Nacht. Bastei Lübbe
Jardí a l'obaga. Barcelona: Proa, 2016
La fugitiva. Barcelona: Proa, 2018

All diese Romane verbinden die besonderen, ungewöhnlichen Geschichten, welche ihre Charaktere durchleben: In Presó de neu begleitet der Leser Jordi Cordina, der seine Ehefrau umgebracht hat, gerade aus dem Gefängnis entlassen worden ist und an den Ort des Verbrechens zurückkehrt, auf eine Reise in seine Erinnerungen. In El jersei sehen wir die Welt aus der Perspektive von Maria Dolors, einer alten Frau, die nach einer Embolie weder gehen noch sprechen kann, aber mit ihren scharfen Augen und ihrem ebenso scharfen Verstand mehr beobachtet, als der Familie lieb ist, während sie für ihre Enkelin einen Pullover strickt, und die Romane La nevada del cucut und La casa del silenci erzählen von der Leidenschaft mutiger Frauen, die sich trotz widriger Umstände den Büchern und der Musik hingeben. Solche Situationen mögen wir zwar nie erlebt haben, doch durch die einfühlsamen Beschreibungen des Empfindens und Denkens der Charaktere lernen wir sie im wahrsten Sinne des Wortes ver-stehen, indem wir im Geiste in ihre Haut schlüpfen und uns fragen, was wir wohl an ihrer Stelle denken und tun würden. So lernen wir beim Lesen und Mitfühlen von Blanca Busquets Romanen auch uns selbst ein Stück weit besser kennen, und gerade das ist es, was meines Erachtens gute Literatur ausmacht.

Umso mehr freut es mich, dass einige ihrer feinen Beobachtungen und tiefsinnigen Gedankengänge auch Menschen zugänglich sind, die (noch) nicht Katalanisch sprechen - dank der hervorragenden Arbeit großartiger Übersetzer wie Ursula Bachhausen  (Deutsch) Cruz Rodriguez Juiz (Spanisch), Catalina Salazar (Französisch), Ekaterina Gúixina (Russisch), Katarzyna Górska (Polnisch), Mara Faye Lethem (Englisch) und vor allem Giuseppe Tavani. Seine Übersetzung von La casa del silenci ins Italienische, La vita in ogni respiro, wurde 2015 mit dem Premio Alghero Donna, dem Preis für Literatur und Journalismus der Stadt Alghero / L’Alguer, ausgezeichnet. Der Preis wurde -wie der katalanische Premi Llibreter für La nevada del cucut - zwar der Autorin verliehen, doch hätte ihr Werk in Italien wohl kaum solche Anerkennung erfahren, hätte Giuseppe Tavani es nicht so meisterhaft übersetzt. Complimenti al traduttore!

Blanca Busquets jüngster Roman, La Fugitiva ('Mireias Flucht' - Übersetzungsvorschlag: F.A.)  ist aus der Sicht einer über neunzig Jahre alten Frau erzählt, die allein in einer Wohnung in Barcelona lebt. Ihre Tochter meidet sie wo sie kann, ihr Sohn spricht schon lange nicht mehr mit ihr, ihre Haushaltshilfen können ihr nichts recht machen, nur ihre Enkelin vermag es, ihr ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, doch auch sie kann die Schrullen der Großmutter manchmal nicht verstehen. Während wir mit Mireia dem Lärm der Straße lauschen und die neuen Nachbarn ausspionieren, erfahren wir aus ihren Erinnerungen, dass ihre Einsamkeit und Verbittertheit einen Grund hat, dass eine Folge unerwarteter Ereignisse die festen Knoten ihres tristen Lebens jedoch lösen könnte…

Was haben wir mit dem Leben einer alten Frau zu schaffen? Wir sind jung und unser Leben ist (hoffentlich) nicht derart festgefahren - und gerade deswegen kann dieses herrlich geschriebene Buch für uns eine immense Bereicherung sein, denn auch wir werden einmal alt, und wie unser Leben dann aussehen wird, wer weiß es? Fest steht: Je eher wir uns über das Alter Gedanken machen, je länger wir uns innerlich darauf vorbereiten, lernen, damit umzugehen, umso gelassener können wir ihm entgegensehen. Und auch für das Jetzt kann sich der Einblick in Mireias Gedankenwelt als lehrreich erweisen: Vielleicht versteht mancher von uns danach seine Mutter, Großmutter oder Tante, die keifende Nachbarin oder die grimmig dreinblickende Weißhaarige in der Straßenbahn ein wenig besser.

Und durch Mireias Welt lässt Blanca Busquets die Mehrsprachigkeit schimmern, die Teil der katalanischen Kultur ist: Zwar ist der Roman auf Katalanisch geschrieben, und doch findet man dort hin und wieder spanische Wörter und gar Sätze, und so mancher Dialog, der auf Katalanisch wiedergegeben wird, hat sich, wie später erklärt wird, in der im Buch geschaffenen Realität ursprünglich auf Spanisch zugetragen:

Señora, möchten Sie, dass ich Ihnen schon das Abendessen bringe?
Was?
Ob ich Ihnen schon das Abendessen bringen soll.
Ah, ja, ja…
Lupe [die neue Haushaltshilfe] ist Peruanerin und spricht ein Spanisch, das ich nur mit Mühe verstehe. Manchmal brauche ich eine Weile, um zu begreifen, was sie mir gesagt hat.
(Übersetzung: F.A.)

Im Original, das interessiert vielleicht die (angehenden) Übersetzer, steht die Anrede in der katalanischen Schreibweise, Senyora. Da das Gespräch in der Welt des Buches auf Spanisch stattgefunden hat, gebe ich ihn hier auf Spanisch wieder.  Warum aber übernehme ich ihn überhaupt? Ganz einfach - weil er im Deutschen kein zeitgemäßes Äquivalent hat: Während man Senyora im Italienischen mit Signora, im Französischen mit Madame und im Englischen mit Ma’am wiedergeben kann, müssen wir im Deutschen zusätzlich ihren Nachnamen nennen - dies ist wiederum in Spanien und Katalonien nicht üblich, und ich habe mir zum Ziel gesetzt, doch ein wenig von der Ausgangskultur durchblicken zu lassen in meiner Übersetzung. Was bleibt mir also übrig?  Meine Dame? So würde vielleicht ein wildfremder Mensch auf der Straße Mireia ansprechen, aber doch nicht eine Haushaltshilfe. Gnädige Frau? Vor sechzig Jahren war dies die Anrede, mit der eine Haushaltshilfe die Dame des Hauses anzureden pflegte, doch haben sich die Zeiten geändert, und wir wollen doch nicht, dass die deutsche Übersetzung älter wirkt als das Original?! Ein Problem, das bei fast jeder Übersetzung epischer und dramatischer Werke ins Deutsche entsteht (in der Lyrik ist es einerseits komplizierter und andererseits einfacher, doch davon soll ein anderes Mal berichtet werden), und über das man immer wieder neu nachdenken muss, da es immer von der im Text beschriebenen fiktiven Situation abhängt, welche Lösung nun die beste ist.

Um nach diesem Ausflug in die Übersetzung zur Autorin zurückzukommen: Von Blanca Busquets sind in deutscher Sprache bereits bei DTV Die Woll-Lust der Maria Dolors (2001) und Bis dass der Zufall uns vereint (2011) und bei Bastei Lübbe Die Partitur des Glücks (2015) und In jener sternenklaren Nacht (2016) erschienen – allesamt ausgezeichnete Übersetzungen von Ursula Bachhausen. Und auch die Autorin selbst war schon in Deutschland: 2012 war sie auf der Leipziger Buchmesse eingeladen und 2015 stellte sie im Rahmen des Fests Sant Jordi in Berlin den Roman Die Partitur des Glücks (La casa del silenci) vor. Ich würde mich freuen, wenn dies nicht ihre einzigen Besuche in Deutschland wären!