Ausländer regen sich gern mal darüber auf, dass die Negation im Deutschen bisweilen am Ende des Satzes ist und es dadurch zu bestimmten Überraschungseffekten kommt:
(1) a. Ich liebe Dich - NICHT.
b. Tötet ihn - NICHT.
Von Gereon Müller wissen wir bereits, dass die Negation zugrundeliegend nicht am Ende des Satzes steht, sondern dass rechts davon ursprünglich eine andere Konstituente ist, die aber nach links bewegt wird. Das legt auch das Beispiel in (2b) nahe, in dem hinter der Negation noch ein Verb kommt:
(2) a. Ich weiß es nicht
b. Ich habe es nicht gewusst
Wie mag diese Bewegung aber vonstatten gehen?
Im Deutschen gibt es zwei Typen von Sätzen: Hauptsätze und Nebensätze. Haha, lustig. In Nebensätzen kommt das Verb immer am Ende des Satzes (Warum dolmetschst Du nicht? - Ich warte auf das Verb!), in Hauptsätzen dagegen immer an zweiter Stelle, egal welche Konstituente an erster Stelle steht:
(3) a. Der Gereon überlässt dem Fabian gern seine Folien.
b. Dem Fabian überlässt der Gereon gern seine Folien.
c. Seine Folien überlässt der Gereon gern dem Fabian.
d. Gern überlässt der Gereon dem Fabian seine Folien.
In der minimalistischen Syntax geht man davon aus, dass deutsche Sätze zugrundeliegend immer aussehen wie Nebensätze, also wie in diesem Bild (hier mit einem Satz im Perfekt):
Hauptsätze entstehen durch Bewegung. Zunächst bewegt sich entweder das Hilfsverb (hier habe) oder, wenn es kein Hilfsverb gibt, klein v mit dem Vollverb nach T (T steht für Tempus, dies ist eine funktionale Kategorie, die dem (Hilfs-) Verb seine Zeitform und Phi-Merkmale, also Genus, Numerus und Person zuweist.)
In C wird ein spezieller Null-Komplementierer verkettet, den es nur in Haupt- und Fragesätzen gibt und der verlangt, dass sich T mit dem (Hilfs-) Verb im Schlepptau nach C bewegt. Heraus kommt habe ich den Kuchen gegessen.
Soll das Ganze ein Fragesatz werden, so ist die Arbeit schon erledigt. Um einen Aussage-Hauptsatz mit dem Verb an zweiter Stelle (man nennt das auch einen Verb-Zweit-Satz oder V2-Satz) zu erhalten, ist noch ein weiterer Schritt notwendig: Irgendeine Konstituente - im Normalfall das Subjekt, es sei denn, man möchte etwa ein Objekt oder eine adverbiale Bestimmung besonders betonen - wird nun in die CP knapp über dem C (in den Spezifikator von C) geholt:
Für einen Verneinungssatz muss man noch das nicht verketten. Das geschieht zwischen T(empus) und Perf(ekt), und da wir bereits wissen, dass die Negation nicht am Ende steht, wissen wir auch, dass wir sie links anhängen müssen (ansonsten käme etwas heraus wie *dass ich es gewusst habe nicht).
Heraus kommt nun so ein Satz (der entsprechende Nebensatz wäre dass nicht ich den Kuchen gegessen habe ).
Das ist zwar ein grammatischer Satz, man würde aber eher etwas sagen wie in (4):
(4) a. Ich habe den Kuchen nicht gegessen
b. ...dass ich den Kuchen nicht gegessen habe.
Wie leitet man das also ab?
Eine Möglichkeit wäre, anzunehmen, dass die Ableitung schon bei der Bewegung von V nach klein v anders läuft, dass sich nämlich die gesamte VP mit Objekt nach klein v bewegt und das Verb in einem zweiten Schritt noch einmal an klein v adjungiert:
Nun könnte das Perfekt, wenn es seine Merkmale an das Verb abgibt, im Gegenzug aus dem Klein-v-Wust das Objekt zu sich nach oben holen und bei der Perf-nach-T-Bewegung und später bei der T-nach-C-Bewegung mitschleppen:
Eine andere Möglichkeit wäre, dass die VP bleibt, wo sie ist, und sich nur V nach klein v bewegt. Das Objekt bewegt sich dann aus seiner ursprünglichen Position heraus nach oben, und zwar
entweder in den Spezifikator von T, was seltsam wäre, weil T nur solche Konstituenten in seinen Spezifikator holt, denen es den Nominativ zuweist, die Konstituente den Kuchen aber im Akkusativ steht
oder in einen Spezifikator von Neg. Diesen müsste man extra annehmen, genauso wie ein spezielles Merkmal, dass die Bewegung auslösen würde. Dabei könnte es Probleme mit dem Skopus geben.
Vielleicht ist aber auch dieses komische Scrambling die Lösung, das ich noch nicht verstanden habe.
Wer mehr weiß, der kommentiere. Ich wende mich derweil wieder meiner Typologie-Hausarbeit über kausative Ortswechselverben zu (brrr), die bis Jahresende fertig werden muss.