„Wenn man auf der Straße einen wildfremden Menschen
ansprechen muss, sagt man dann scusa oder scusi“?
Als meine Mutter vor zwei Jahren diese Frage an mich
richtete, war ich etwas perplex, hätte ich doch nicht gedacht, dass jemand mit
den regelmäßigen Imperativformen im Italienischen Schwierigkeiten haben könnte.
Anscheinend bereitet der Imperativ jedoch auch anderen Ausländern Probleme.
Es ist vielleicht schwer zu glauben, aber als ich noch
jünger war, hatte ich eine Heidenangst vor der italienischen Sprache und habe
mich trotz jährlichen Familienurlaubs in der Toskana sechzehn Jahre lang
erfolgreich geweigert, Italienisch zu lernen. Die
Langenscheidt-Italienisch-Sprachkalender, die immer bei uns zuhause herumlagen,
habe ich allerdings mit Feuereifer gelesen, vermutlich deshalb, weil ich mit
elf Jahren ohnehin an keinem mit Buchstaben bedruckten Papier vorbeigehen
konnte, ohne es zu verschlingen und dessen Inhalt, so er interessant war, für
die nächsten zehn Jahre in meinem Gedächtnis abzuspeichern. So auch die
Imperativregel:
Bei Verben auf -are
lautet der Imperativ in der normalen Form auf -a, in der Höflichkeitsform
dagegen auf -i.
Beispiel:
parlare
– (tu) parla – (Lei) parli
Bei Verben auf -ere
und -ire lautet der Imperativ in der
normalen Form auf -i, in der Höflichkeitsform dagegen auf -a.
Beispiel:
sentire
– (tu) senti – (Lei) senta
Hier zeigt sich wieder einmal, wie logisch die
italienische Sprache sein kann: Für die vertrauliche
Anrede mit „tu“ endet die Imperativform mit dem Vokal, welcher der
Infinitivendung näher ist, für das distanziertere „Lei“ dagegen endet die
Imperativform auf dem von der Infinitivendung entfernteren Vokal.
Wenn man also einen wildfremden Menschen anspricht, ist
man also mit „scusi“ auf der sicheren Seite, ist der Mensch allerdings jung, so
kann man getrost „scusa“ sagen.
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