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Die Personalpronomen der dritten Person im Italienischen


Am 18. Dezember 2016 hat die Facebook-Seite „Italian Teacher“ diese Grafik veröffentlicht, deren Inhalt zwar die Konjugation des Verbs fare ist, die mich aber auf ein ganz anderes Thema gebracht hat:
"Egli (lui-lei)"? "Essi (loro)"?
Personalpronomen der dritten Person in BERTINELLI (1938)
Zu diesem Thema kann sich ein Blick in die Neue italienische Grammatik von Dr. AMELIA BERTINELLI als hilfreich erweisen. Hier findet man folgende Informationen:
1.   Für die dritte Person Singular maskulin (deutsch: er) gibt es im Italienischen zwei Personalpronomen: egli bzw. lui für Personen und esso für Gegenstände.
1.1  lui war ursprünglich die Genitiv-, Dativ- und Akkusativform von egli (siehe BERTINELLI 1938:220) und wird in bestimmten Kontexten auch in der Position des Satzsubjektes verwendet.
„ DRITTE PERSON.
männlich – maschile
egli, esso er
di lui, di esso seiner
a lui, ad esso (gli) ihm
lui, esso (lo) ihn “
2.   Für die dritte Person Singular feminin (deutsch: sie) gibt es im Italienischen zwei Personalpronomen: ella bzw. lei für Personen und essa für Gegenstände.
2.1  lei war ursprünglich die Genitiv-, Dativ- und Akkusativform von ella (siehe BERTINELLI 1938:220) und wird in bestimmten Kontexten auch in der Position des Satzsubjektes verwendet.
„ DRITTE PERSON.
[…]
weiblich – femminile
ella, essa sie
di lei, di essa ihrer
a lei, ad essa (le) ihr
lei, essa (la) sie “
2.2  Auch für die Höflichkeitsform Lei (dritte Person Singular) gibt BERTINELLI die Nominativform Ella an.
„ HŒFLICHKEITSFORM.
Ella Sie
di Lei Ihrer
a Lei (Le) Ihnen
Lei (La) Sie“
Die Nominativform Ella ist ebenfalls in dem als Vorwort fungierenden Brief von G.GABETTI (dem Direktor des Istituto Italiano di Studi Germanici) an BERTINELLI zu finden:
“Ho avuto più volte occasione di constatare l’utilità dell’insegnamento che Ella svolge attraverso la Radio per la diffusione della lingua italiana nei paesi tedeschi.”
3.   Für die dritte Person Plural (deutsch: sie) gibt es im Italienischen - neben dem üblichen loro - zwei Personalpronomen: essi (maskulin) und esse (feminin). Diese können sowohl für Personen als auch für Gegenstände verwendet werden.
3.1  loro war ursprünglich eine Genitiv-, Dativ- und Akkusativform sowohl von essi als auch von esse (siehe BERTINELLI 1938:220) und wird in bestimmten Kontexten auch in der Position des Satzsubjektes verwendet.
„ DRITTE PERSON.
männlich – maschile
[…]
essi sie
di loro, di essi ihrer
a loro, ad essi ihnen
loro, essi (li) sie “
weiblich – femminile
[…]
esse sie
di loro, di esse ihrer
a loro, ad esse ihnen
loro, esse (le) sie “
(BERTINELLI 1938:220)

Geschichtlicher Hintergrund
Weiter vorn im Buch äußert sich BERTINELLI ergänzend:
Egli und ella gebraucht man nur für Personen, sonst esso und essa (es). Bekanntlich hat die faschistische Regierung auf Veranlassung des Duce die bisherige Höflichkeitsformel Lei (3 Person Einzahl) abgeschafft und an dessen (sic!) Stelle das schöne, alte Voi (2 Person Mehrzahl Ihr) eingeführt. Da in der italienischen Sprache die Personen der Verben durch verschiedene Endungen gekennzeichnet sind, wird das persönliche Fürwort weggelassen. (Ausnahmen werden in den folgenden Lektionen erklärt.)“
Interessant ist hier, dass BERTINELLI nicht von der „bisherige[n] Höflichkeitsformel Ella“, sondern von der „bisherige [n] Höflichkeitsformel Lei“ spricht, daraus schließe ich, dass schon vor 1938 die Verwendung der Genitiv-, Dativ- und Akkusativform Lei im Nominativ üblich war. An der oben zitierten Passage aus GABETTIS Brief kann man jedoch erkennen, dass die Nominativform Ella zu dieser Zeit noch verwendet wurde.
Tatsächlich ist der Gebrauch der abhängigen Formen in der Funktion des Subjekts laut dem auf der Webseite der Academia della Crusca publizierten Artikel “Egli e lui soggetto” von Francesco Sabatini schon lange üblich, wurde aber von den Grammatikern (die ersten unter ihnen Fortunio und Bembo) als ungrammatisch betrachtet. Dies sollte sich erst ändern, als Manzoni die Formen lui, lei und loro in I Promessi Sposi (1840) verwendete.
Als Beispiel kann man eine in DIADORI (in POYATOS 1997) zitierte Textpassage anführen. (Das Zitat war ursprünglich dafür gedacht, als Beispiel für altmodische kinetische Handlungen zu dienen, ist aber für unsere Zwecke ebenso geeignet.)
“(…) l’Innominato passò; e davanti alla porta spalancata della chiesa, si levò il cappello e chinò quella fronte tanta temuta, fin sulla criniera della mula… Don Abbondio si levò anche lui il cappello, si chinò, si raccomandò al cielo.”
(Anstelle von anche lui hätten die Grammatiker wohl lieber anch’egli gesehen).

Gegenwärtige Situation
Die Verwendung der Formen "lui", "lei" und "loro" als Subjekt des Satzes sind immer dann korrekt, wenn:
a.   das Subjekt auch Thema des Satzes ist (schon eingeführt / als bekannt vorausgesetzt ist), wenn wir eigentlich so etwas wie per quanto riguarda lui/lei/loro oder etwas in der Art sagen wollen, was unter anderem gewiss dann der Fall ist, wenn das Subjekt in Verbindung mit anche, ancora, proprio, perfino, nemmeno, neanche, neppure, stesso, medesimo auftritt.
b.   das Subjekt auch Rhema des Satzes ist und einem Verb (oder ecco) nachgestellt ist, auch wenn das implizit geschieht, wie das z. B. in Wendungen wie contento lui ('se è contento lui'), non farò come lui ('...come fa lui'), beato lui! ('beato è lui!') und Antworten (Chi è stato? - Lui!) der Fall ist.

Quellen
Bertinelli, Amelia (1983): Neue italienische Grammatik. 2° edizione riveduta. Firenze, G.C. Sansoni.
Diadori, Pierangela: The translation of gestures in the English and German versions of Manzoni's / Promessi Sposi (S. 131ff.) In: Fernando Poyatos ed. (1997) Nonverbal Communication and Translation. Amsterdam/Philadelphia, John Benjamins
Sabatini, Francesco: Egli e lui soggetto:http://www.accademiadellacrusca.it/it/lingua-italiana/consulenza-linguistica/domande-risposte/soggetto (letzter Zugriff: 07. 10. 2018; Auszüge übersetzt von F. Andermann)
Anhang: Brief von G. GABETTI an A. BERTINELLI
Da dieser Brief einer der inspirierendsten Texte über Sprache und Grammatik ist, die ich in den letzten zwei Jahren gelesen habe, füge ich ihn hier ein in der Hoffnung, auf Gleichgesinnte zu treffen.
Roma, 9 Gennaio 1937 – XV.
Gent.ma Signorina,
Ho avuto più volte occasione di constatare l’utilità dell’insegnamento che Ella svolge attraverso la Radio per la diffusione della lingua italiana nei paesi tedeschi. E mi pare ottima l’idea di elaborare un particolare testo di Grammatica, in relazione alle particolari esigenze del Suo insegnamento.
Le migliaia di alunni che, lontani e invisibili, ascoltano ogni sera la Sua parola, avranno sempre bisogno di ricorrervi per riordinare le proprie cognizioni, superare le proprie incertezze. La lingua di un popolo è una cosa sola col suo modo di sentire e di pensare; e senza il possesso della struttura grammaticale – nei suoi elementi più essenziali e costanti – non è possibile penetrare nello spirito da cui la lingua trae, con le sue forme, la sua vita.
Mi creda, con i migliori auguri per la Sua opera,
Suo dev.mo
G. GABETTI
(Direttore dell’Istituto Italiano
di Studi Germanici)

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