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Apostrophe im Italienischen


Apostrophe im Italienischen
Apostrophe sind , so scheint’s, in mehreren Sprachen eine ziemlich heikle Angelegenheit. Während Bsɪɴ Sɪᴄᴋ in seiner Zwiebelfisch-Kolumne (http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-deutschland-deine-apostroph-s-a-283728.html) vor dem alles verheerenden Häk’chen-Hagel warnt und dafür plädiert, statt ‘Ich sing’ ein Lied’ und ‘Mir geht’s gut’ doch ‘Ich sing ein Lied’ und ‘Mir gehts gut’ zu schreiben, muss seine italienische Amtskollegin Fɪʀʟʟ Aᴛᴢᴏʀɪ von Sgrammaticando darauf bestehen, dass bei jeder Auslassung ein Apostroph gesetzt wird, zumal durch Weglassen des Häkchens ein Wort bisweilen mit einem ganz anderen verwechselt werden kann: ‘sto und ‘sta sind eindeutig Abkürzungen von questo und questa, ohne das Apostroph sind sie aber von der ersten und dritten Person Singular des Verbs stare nicht zu unterscheiden (io sto, egli sta).
Anders als im Katalanischen, wo es stets so weit rechts wie möglich gesetzt werden muss (z.B. me + en + he + de + anar -> me n’he d’anar), steht das Apostroph im Italienischen immer genau dort, wo etwas ausgelassen wurde - es ist, wie Mʀɪɴɴ Mʀɪɴ und Mʀᴄᴏfieri in Scrivere ganzo!: Consigli per comunicare alla grande dal romanzo all’on-line (auf Google Play als E-Book erhältlich: https://play.google.com/store/books/details/Marianna_Martino_Scrivere_ganzo?id=9AiBCgAAQBAJ) schreiben,  die Träne, die zurück bleibt, wenn man von einem Wort etwas abschneidet.
Schreibt man also ce n’è, c’è ne, cè nè oder c’è n’è? Zugegeben, auch ich habe damit manchmal Schwierigkeiten, aber gerade haben wir ja gesehen, wie man sich das herleiten kann. Die Wendung besteht aus drei Wörtern: ci (dort), welches zu ce wird,  ne (davon) und è (ist),  vgl. ce ne sono (‘dort davon sind’). Allerdings sind zwei es hintereinander schwer auszusprechen und es klingt auch nicht schön. Um das zu vermeiden (in der Phonologie würde man sagen: zur Vermeidung der Adjazenz [= des Hintereinanderstehens] zweier identischer / ähnlicher Vokale), wird das e von ne abgeschnitten und ein Apostroph bleibt als Träne zurück, man schreibt also n’è. Nun braucht man nur noch ce davor zu setzen und fertig ist die Laube.
Wie im Deutschen und Französischen, so sind auch im Italienischen Apostrophe nicht mit Akzenten zu verwechseln. La vita e’ bella und alla tua eta’ sind genauso grässlich zu lesen wie die Belle E’poque. Auch bei VERSALIENSCHREIBUNG dürfen Akzente im Italienischen weder durch Apostrophe ersetzt noch (wie im Französischen) weggelassen werden. Ebensowenig dürfen jedoch Apostrophe durch Akzente ersetzt werden: un po’ ist eine Abkürzung von un poco. Die Träne, die das abgeschnittene -co hinterlässt, würde es sich im Traum nicht einfallen lassen, nach links auf das o zu rutschen und fühlt sich daher jedes Mal, wenn (vor allem) Italiener *un pò schreiben, grässlich missverstanden. (Anmerkung: Der Stern [*] oder Asterisk, wie ihn die Fachleute nennen, steht vor ungrammatischen oder rekonstruierten Formen).
Bei bestimmten Wörtern darf allerdings ein e am Ende wegfallen, ohne dass ein Apostroph gesetzt werden darf (wobei einige Italiener dies fälschlicherweise tun). Zu diesen Wörtern gehören Verben wie avere, dire, volere, aber auch Pronomen wie quale. Alle diese Wörter haben gemeinsam, dass sie flektiert (dekliniert oder konjugiert) werden können, also verschiedene Endungen haben und das e nicht zum Stamm des Wortes gehört, sondern eine Endung ist, die bei der Flexion (Deklination oder Konjugation) durch andere Endungen ersetzt wird. Bei dire wird zum Beispiel das e in der dritten Person Singular des einfachen Futurs durch ein à ersetzt (egli dirà). Ebenso wird quale im Plural zu quali, zum Beispiel in der Frage Quali sono le differenze tra un cocodrillo e un alligatore?.  Eine Antwort auf diese knifflige Frage wissen die Angelsachsen: Es kommt darauf an, ob das Tier einen später oder in einer Weile sieht.

See you later, alligator - In a while, crocodile.


Diese Antwort legt nahe, dass es sich dabei nur um einen Unterschied handelt. Wenn wir dies schon ahnen und bloß noch nicht wissen, welcher Unterschied es ist, können wir dies nun auch korrekt ausdrücken: Qual è la differenza tra un cocodrillo e un alligatore. Keine Tränen diesmal - die hat nämlich schon das Krokodil vergossen. Und auch wenn es nicht um Krokodile geht, hinterlässt das e von quale keine Apostroph-Träne, denn es wird nicht abgeschnitten, sondern eher abgeschraubt - oder ausgesteckt - und ob man nun eine andere Endung hineinschraubt bzw. -steckt oder nicht ist egal, nichts von beidem tut weh. (Dieses Abschrauben von Endungen und Reduzieren auf den Stamm bezeichnen die Italiener als troncamento, jegliche andere Form der Auslassung von Lauten hingegen als elisione).
Doch Obacht: Dov’è [il bagno] schreibt man immer noch mit Apostroph, da dove nicht deklinierbar ist (keine verschiedenen Endungen hat), das e also zu dove gehört wie die Fingerkuppe zum Finger. Wenn es abgeschnitten wird, bleibt daher eine Träne zurück.

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