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Allgemeine Terminologielehre


Abschrift der Vorlesung Allgemeine Terminologielehre von Dr. Marcello Giugliano aus dem Wintersemester 2016/17
I.              Entwicklung der Terminologielehre
Ursachen der Entwicklung
1.      Wissenschaftliche und ökonomische Entwicklung
2.      Charakteristika der modernen Gesellschaft:
§  Spezialisierung
§  Universalisierung
§  Mehrsprachigkeit
§  Information
Neue sprachliche Erfordernisse
• Wissenschaftliche und technische Entwicklung führt zum Aufkommen neuer Begriffe, die neue Bezeichnungen erfordern
• Wachstum der internationalen politischen, ökonomischen und kulturellen Beziehungen und der entsprechenden Kommunikationsbedürfnisse
• Entwicklung neuer supranationaler Märkte und der Massenproduktion
• Die Entwicklung neuer Informationsmodelle und -mittel und das Bedürfnis nach neuen Datenbanken, die kontinuierlich aktualisiert werden und einen einfachen Zugriff ermöglichen.
• Allgemeine Verbreitung der Terminologie und Interaktion zwischen genereller und spezialisierter Lexik.
• Regierungsmaßnahme mit sprachlichem Anliegen: Einbezug der Terminologie in den Sprachnormierungsprozess und Investition staatlicher Finanzmittel
Schulen und Richtungen
1.      Die Wiener Schule

Eugen Wüster:
§  Internationale Sprachnormung in der Technik, besonders in der Elektrotechnik (1931)
§  Einführung in die allgemeine Terminologielehre und terminologische Lexikographie (1979)

Prinzipien der traditionellen allgemeinen Terminologielehre:
1.      Onomasiologische Perspektive: Terminologie geht von Begriffen aus, zielt auf scharfe Abgrenzung zwischen Begriffen
2.      Eindeutigkeit der Begriffe, Organisation der Begriffe anhand von Begriffsmerkmalen in Begriffssystemen
3.      Terminologische Definitionen: Inhaltsdefinition/Umfangsdefinition/Teil-Ganzes-Definition + Begriffserklärung. (Position eines Begriffs innerhalb eines
Begriffssystems).
4.      Monosemie der Benennung: direkte eineindeutige Beziehung zwischen Begriff und Benennung
5.      Synchronie

Die Prinzipien der Wiener Schule wurden von folgenden Schulen aufgegriffen:
1.1. Die Prager Schule: Lubomír Drozd
Die Schule bildet wichtige Grundlage der terminologischen
Forschungsarbeiten in Tschechien.
Fachsprache: funktionelles Ganzes von Sprachmitteln, eine
Gesamtheit von terminologischen und nicht terminologischen
Einheiten, die einem bestimmten wirtschaftlichen Zweck dienen
(Drozd 1975, in Felber und Budin)
1.2. Die Sowjetische Schule: Sergei Alexejewitsch Tschaplygin, Dmitrij Semënovic Lotte
Entwicklung der terminologischen Methoden (in den 40er und 50er
Jahren) und der grundlegenden Aspekte der Terminologie als
Wissenschaft
Drei Ansätze der ersten Schulen:
1.  Interdisziplin: Terminologie als unabhängige Disziplin im Dienst anderer wissenschaftlichen oder technischen Disziplinen.
2. Philosophisch und epistemologisch: Die Terminologie beschäftigt sich mit der logischen Einteilung der Begriffssysteme und Strukturierung des Wissens.
3. Linguistisch: Terminologie als Teil der Lexik und Fachsprache als Teil der allgemeinen Sprache.
Andere Strömungen
  Die Sozioterminologie: Rouen / Bruxelles / Montreal (kanadische Schule)
« Apparue sous la double influence de la sociolinguistique théorique et de lasociolinguistique de terrain, la socioterminologie se fixe comme objet l'étude de la circulation des termes en synchronie et en diachronie, ce qui inclut l'analyse et la modélisation des significations et des conceptualisations. Elle possède une dimension sociocritique, comme toute sémantique du discours, dans la mesure où elle relie la production de sens des termes avec les conditions de leur apparition. La circulation des termes est envisagée sous l'angle de la diversité de leurs usages sociaux, ce qui englobe à la fois l'étude des conditions de circulation et d'appropriation des termes, envisagés comme des signes linguistiques, et non comme des étiquettes de concepts » (Gaudin 2015 :81)
Studiengegenstand der Sozioterminologie: Synchrone und diachrone Untersuchung dessen, wie die Termini in Umlauf kommen einschließlich der Modellierung der Bedeutungen und der Begriffsbildung.
§  Untersuchung dessen, wie Termini in Umlauf kommen unter dem Gesichtspunkt der Vielfalt ihres Gebrauchs in der Gesellschaft
§  Bedingungen dessen, wie Termini in Umlauf kommen; Bedingungen der Aneignung von Termini
§  Termini als sprachliche Zeichen, nicht als Etikette von Begriffen
Sozialkritische Dimension der Sozioterminologie: sie setzt die Bedeutungsbildung der Termini mit den Bedingungen, unter denen sie auftreten, in Verbindung
  Kommunikative Terminologielehre (Cabré)
§  Terminologische Einheiten sind polyedrisch: linguistische, kognitive und soziokommunikative Dimension.
§  Terminologische Einheiten müssen innerhalb des Rahmens der Fachkommunikation analysiert werden.
§  Terminologische Einheiten unterscheiden sich nicht von den lexikalischen Einheiten. Fachspezifische Merkmale der Einheiten werden erst durch den Gebrauch in einer fachlichen Kommunikationssituation aktiviert. Variation ist möglich.
  Soziokognitive Theorie der Terminologie (Temmerman 2000)
§  Anfangspunkt ist nicht der Begriff (onomasiologische Perspektive), sondern die Verstehenseinheiten (units of understanding), weil es Begriffe gibt, die erst durch das Handeln und die Verstehensprozesse des Menschen zustande gekommen sind (Biotechnologie, Klonen).
§  Die Beziehungen zwischen diesen Einheiten schaffen kognitive Rahmen (die Art und Weise, wie Menschen die Welt verstehen) mit einer prototypischen Struktur.
§  Variation ist möglich, d.h. Polysemie und Synonymie sind möglich und sogar notwendig
§  Die diachronische Perspektive ist für die terminologische Forschung wichtig

II.            Wissenschaftliche und funktionale Merkmale
Terminologie: Definitionen
Terminologie ist der Gesamtbestand der Begriffe und ihrer Benennungen in einem Fachgebiet (DIN 2342, Teil 1, zit. nach Arntz / Picht 1991)
Terminologie befasst sich mit den Begriffen und ihren Bezeichnungen in Fachsprachen (Giugliano 2016, VL Allgemeine Terminologielehre)
Terminologie ist...
§  in der Theorie: Wissenschaft, die sich mit terminologischen Einheiten befasst
§  in der Praxis: Gesamtheit der Prinzipien, welche die Zusammenstellungen der Termini regeln
§  als Gegenstand: Lexikon eines Fachgebietes
Man kann Terminologie als
§  unabhängige Disziplin,
§  Teil einer Disziplin             oder
§  interdisziplinären Bereich
betrachten.
Interdisziplinär ist die Terminologie insofern, als sie sich mit den Sprachwissenschaften, den kognitiven Wissenschaften und den sozialen Wissenschaften überschneidet.
Terminologie und Sprachwissenschaft: Fachsprache kann als Subsystem der Sprache gesehen werden, insofern überschneidet sich die Terminologie mit der Lexikologie:
Gemeinsamkeiten
§  Beide Disziplinen beschäftigen sich mit Wörtern
§  Sie sind theoretische UND angewandte Disziplinen
§  Ziel ist die Ausarbeitung von Wörterbüchern
Unterschiede
Terminologie
Lexikologie
Festlegung normalisierter Formen
Beschreibender Ansatz
Internationaler Fokus
Nationaler Fokus
Ausgangspunkt:Begriff
Ausgangspunkt: Benennung
Fachsprache
Allgemeine Sprache
Einheit: Terminus
Einheit: Wort
Bestand: hauptsächlich Nomen
Bestand: Nomen, Verben, Adjektive, etc.
Arbeitsmethodik: Suche nach Benennungen
Arbeitsmethodik: Überprüfung von Hypothesen
Terminographie: Onomasiologischer Prozess
Lexikographie: Semasiologischer Prozess
                                               

Terminologie und kognitive Wissenschaft: Eine kognitive Theorie der Terminologie sollte klären
§  Wie ein Mensch die Realität konzipiert und Wissen strukturiert
§  Wie Begriffe gebildet werden, welche ihre Beziehungen zueinander und innerhalb des strukturierten Wissens sind
§  Welche die Beziehungen zwischen Begriffen und Termini ist

Terminologie und Kommunikation:
a.       Terminologie als Mittel der Fachkommunikation.
Eigenschaften des Fachtexts:
• Kurz und knapp
• Präzise
• Adäquat
b.       Terminologie und Übersetzung
• Mehrsprachige Terminologie als Hilfsmittel während des Übersetzungsprozesses
• Wichtigkeit der terminologischen Äquivalenz    

           
Die Funktionen der Terminologie sind a) die Darstellung des Fachwissens und b) die Übergabe dieses Wissens (Cabré 2000).
Man kann zwischen präskriptiver und deskriptiver Terminologie unterscheiden.

Terminologische Strömungen:

§  Linguistisch-terminologisch
§  Translatorisch
§  Standardisierend


III.          Grundlegende Begriffe der Terminologie
Definitionen zur Begriffsklärung
Terminus: Das zusammengehörige Paar aus einem Begriff und seiner Benennung als Element einer Terminologie.
Gegenstand:„ein beliebiger Ausschnitt aus der wahrnehmbaren oder
vorstellbaren Welt“ (DIN 2342)
Begriff: Denkeinheit, die aus einer Menge von Gegenständen unter Ermittlung
der diesen Gegenständen gemeinsamen Eigenschaften mittels Abstraktion
gebildet wurde.
Merkmal: Durch Abstraktion gewonnene Denkeinheit, die einige
Merkmale von Gegenständen wiedergibt, welche zur Begriffsbildung und Abgrenzung dient
Benennung: Aus einem Wort oder mehreren Wörtern bestehende Bezeichnung

Beziehung von Begriff, Benennung und Gegenstand: Modelle
§  Semiotisches Dreieck
§  Modell von E. Wüster

Merkmal: Einteilungen
§  Eigenmerkmale (inhärente Merkmale, Beschaffenheitsmerkmale) : Form-, Stoff-, Farb-, Lage-, Zeitmerkmale
§  Beziehungsmerkmale (Relationsmerkmale): Herkunftsmerkmale, Gebrauchsmerkmale, Vergleichsmerkmale, Bewertungsmerkmale, räumliche Eingliederung
§  Anwendungsmerkmale (Funktionsmerkmale): Leistungsmerkmale (z.B. Herstellungsgeschwindigkeit); Verwendungsmerkmale (z.B. zum Transport)

Weitere Einteilungen:
§  Wesentliche Merkmale (essentielle Merkmale, Ordnungsmerkmale) und unwesentliche Merkmale (akzidentielle Merkmale)
Solche Merkmale werden als wesentlich betrachtet, die Eigenschaften eines Gegenstandes in einer gegebenen Situation aus Sicht einer Fachrichtung widerspiegeln.
Ø  Nach Dahlberg lassen sich die wesentlichen Merkmale in wesenskonstitutive und wesenskonsekutive, die unwesentlichen Merkmale in akzidentiell-allgemeine und akzidentiell-individuelle Merkmale einteilen.
§  Äquivalente und nicht äquivalente Merkmale: Äquivalente Merkmale sind in bestimmten Kontexten austauschbar, wie z.B. „konvex“ und „die Strahlen sammelnd“ bei Linsen
§  Abhängige und unabhängige Merkmale: Abhängige Merkmale spezifizieren Merkmale des jeweiligen Oberbegriffs
§  Einfache und komplexe Merkmale

Merkmale unterscheiden einen Begriff von einem anderen und erlauben die Schaffung von Begriffsfeldern und Begriffssystemen“ (Giugliano 2016)

Ø  Zur Vertiefung: Arntz/Picht 1991:53-61



Begriffe
§  Einteilung: Allgemein-und Individualbegriffe
§  Begriffsinhalt (Intension): Gesamtheit der Merkmale eines Begriffs
§  Begriffsumfang (Extension): Gesamtheit der einem Begriff auf derselben Hierarchiestufe untergeordneten Begriffe
§  Begriffsklasse: Gesamtheit der Gegenstände, die unter einen Begriff fallen.
Je größer der Begriffsinhalt, desto kleiner der Umfang eines Begriffs und die Menge der unter diesen Begriff fallenden Gegenstände.

Begriffsbeziehungen

Abstraktionsbeziehungen:

§  Determination (Inhaltsbestimmung): ein einschränkendes Merkmal tritt zum Begriffsinhalt hinzu. Beispiel: Zu „Testament“ kommt „außerordentlich“ hinzu, es entsteht der Begriff „außerordentliches Testament“
§  Konjunktion (Inhaltsvereinigung): Die Merkmale zweier Begriffe vereinigen sich, es entsteht ein gemeinsamer Unterbegriff. Beispiel: Aus „Mähmaschine“ und „Dreschmaschine“ wird „Mähdrescher“
§  Disjunktion (Umfangsvereinigung): Die unter zwei Begriffe fallenden Unterbegriffe vereinigen sich, es entsteht ein gemeinsamer Oberbegriff. Beispiel: Aus „Motor“ und „Generator“ wird „Elektrische Maschine“

Integration (Bestandsvereinigung):
Gegenstände, die den Begriffen zugeordnet sind, werden vereinigt.
Beispiel: Aus Nabe, Speichen und Felge wird ein Rad

Bestandsbeziehungen (Ontologische Beziehungen) entstehen durch räumliche oder zeitliche Berührung zwischen dem Ganzen und seinen Teilen und zwischen den Teilen untereinander. Zwischen ihnen besteht ein ursächlicher Zusammenhang.

§  Beziehung zwischen dem Ganzen und seinen Teilen, z.B.  Tisch- Tischbein
§  Beziehung zwischen den Teilen untereinander, z.B.  Motor – Chassis – Karosserie

Ø  Zur Vertiefung: Arntz/Picht 1991: 48-53

Ø  WICHTIG! Ontologische Beziehungen und Verknüpfungen: siehe W2 Folie 45

Ø  WICHTIG! Die terminologische Einheit – Visuelle Zusammenfassung: siehe W3 Folie 2

Struktur einer Definition
Definiendum
Benennung
Definitor
i.d.R. ein Doppelpunkt, manchmal auch ein Gleichheitszeichen oder ein Gedankenstrich              
                                  
Definiens
Inhaltsbeschreibung des Begriffs


Funktion der Definition
§  Bestimmung eines möglichst eindeutigen Zusammenhangs zwischen Begriff und Benennung
§  Abgrenzung eines Begriffs, indem er zu anderen Begriffen in Beziehung gesetzt wird

Definitionsarten

Inhaltsdefinition Oberbegriff + einschränkende Merkmale
Ø  Beispiel dazu in Arntz/Picht 1991:65

Umfangsdefinition alle Unterbegriffe auf der gleichen Unterteilungsstufe werden aufgezählt

Beispiel
Bezeichnung: Benennung, Ideogramme, Nummern und Notationen (Din 2330)


Bestandsdefinition alle individuellen Gegenstände werden genannt

Beispiel
Sonnensystem: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun



Weitere Definitionsarten

§  Genetische und operationale Definition
§  Kontextdefinition: Begriffsinhalt und-umfang muss jeweils aus dem Sinnzusammenhang erschlossen werden
§  Nominaldefinition: ein Synonym wird genannt; Beispiel: Opazität: Lichtundurchlässigkeit
Problematik: Ist eine Nominaldefinition überhaupt eine Definition? Dahlberg unterscheidet zwischen Nominaldefinitionen und Realdefinitionen (allen anderen).
Ø  Eine ausführliche Erklärung mit Beispielen findet sich in Arntz/Picht 1991: 67-69

Anforderungen an Definitionen
§  Einheitliche Verwendung von Benennungen
§  Orientierung an Zweck und Geltungsbereich
§  Regelmäßige Aktualisierung

Fehlerhafte Definitionen

Zirkeldefinition :Verwendung der Benennung (Definiendum) oder von Synonymen derselbigen im Definiens

Beispiel
Iso -Norm ist eine Norm, die von der ISO erarbeitet und herausgegeben wird.


Zu weite Definition : Das oder die einschränkenden Merkmale treffen auch auf Begriffe zu, die durch die Definition ausgeschlossen werden sollen
Beispiel
Die Schraube ist ein Verbindungselement

Zu enge Definition: Durch die Nennung zu vieler einschränkender Merkmale schließt man in fehlerhafter Weise Gegenstände aus, die eigentlich unter den zu definierenden Begriff fallen
Beispiel
Medizinflaschen sind Flaschen, die aus Glas hergestellt und zur Aufbewahrung von vorwiegend flüssigen Medikamenten bestimmt sind


Negative Definition:  Eine Definition sollte nur dann negativ sein, wenn auch der zu definierende Begriff negativ ist.
Beispiel
Ein „undeklinierbares Wort“ unterscheidet sich von anderen Begriffen hierdurch, dass ihm die Eigenschaft des „Wechsels der Endung in einzelnen Fällen“ fehlt.


Redundanz in der Definition:  Eine Definition soll nur solche Merkmale beinhalten, die zur Beschreibung dieses Begriffs im betrachteten System notwendig sind, sie soll daher nicht die impliziten Merkmale der in der Definition verwendeten Begriffe explizit aufführen.
Beispiel
In der Definition des Begriffs „Diamant“ ist es notwendig, auf chemische Zusammensetzung, Struktur, Härte etc. einzugehen. Es ist dagegen nicht notwendig, darauf hinzuweisen, dass ein Diamant „natürlich“ oder „künstlich“ sein kann, da ja der Oberbegriff „Diamant“ die beiden Unterbegriffe umfasst. Soll auf die Unterschiede zwischen „natürlicher Diamant“ und „künstlicher Diamant“ eingegangen werden, so muss dies in eigenen Definitionen dieser Unterbegriffe geschehen.



Ø  Zur Vertiefung: Arntz/Picht 1991: 61-75

Begriffssystem: Definition

Ein Begriffssystem ist eine Menge von Begriffen, zwischen denen Beziehungen bestehen oder hergestellt worden sind und die derart ein zusammenhängendes Ganzes darstellen (Din 2331)

Hierarchische Begriffssysteme

Begriffssysteme sind hierarchisch, wenn zwischen den Begriffen Abstraktionsbeziehungen oder Bestandsbeziehungen bestehen.

Abstraktionsbeziehungen zwischen dem Oberbegriff und seinen Unterbegriffen

§  Zwischen Oberbegriffen und Unterbegriffen besteht eine vertikale Beziehung, eine Abstraktionsleiter
§  Zwischen den jeweils auf der gleichen Abstraktionsstufe nebengeordneten (Unter‑) Begriffen besteht eine horizontale Beziehung, eine Abstraktionsreihe

Man unterscheidet zwischen monohierarchischen und polyhierarchischen Begriffssystemen:

§  Monohierarchisches Begriffssystem: ein Oberbegriff wird auf jeder Unterteilungsstufe nach nur einem Gesichtspunkt unterteilt
§  Polyhierarchisches Begriffssystem: auf einer Unterteilungsstufe werden verschiedene Unterteilungsgesichtspunkte angewendet
§  Kombinatorisch-hierarchisches System: monohierarchische und polyhierarchische Unterteilungen auf verschiedenen Unterteilungsstufen innerhalb eines Begriffssystems

Abstraktionssysteme können graphisch folgendermaßen dargestellt werden:
§  Linien- / Winkeldiagramm; Ausgliederung von Teilsystemen möglich
§  Linien-/ Winkeldiagramm mit Notationen
§  Listendiagramm (Problematik: Begriffsbeziehungen sind weniger anschaulich dargestellt)
§  Felderdiagramm
§  Andere
Mit Abstraktionssystemen allein lassen sich Begriffssysteme nicht vollständig darstellen:
Ø  Beispiel in Arntz/Picht 1991: 93-94

Bestandsbeziehungen zwischen dem Ganzen und seinen Teilen (werden auch als Teil-Ganzes-Beziehungen oder partitive Beziehungen bezeichnet)
§  Das Ganze, also der übergeordnete Begriff, wird Verbandsbegriff genannt, der untergeordnete heißt Teilbegriff. Wie bei den Abstraktionsbeziehungen entstehen Leitern und Reihen, die man Bestandsleitern (partitive Leitern) und Bestandsreihen (partitive Reihen) nennt.

Problematik der Einteilung: Während es sich bei den Abstraktionsbeziehungen anhand der Begriffsmerkmale klar ersehen lässt, welches der Unterbegriff und welches der Oberbegriff ist, ist ein so klares Kriterium bei Bestandsbeziehungen nicht vorhanden; nach welchem Gesichtspunkt die Einteilung vorgenommen werden soll, hängt in starkem Maße von der Auffassung und Zielsetzung des Einteilenden ab.
Ø  Beispiel in Arntz/Picht 1991:95

Nichthierarchische Begriffssysteme

Zwischen Begriffen in nichthierarchischen Begriffssystemen können sequentielle oder  pragmatische Beziehungen bestehen

Sequentielle Beziehungen bestehen zwischen Begriffen, die Stadien oder Phasen in einem Ablauf darstellen

§  Konsekutive Beziehung: das Verhältnis der einzelnen Phasen zueinander.
§  Simultane Beziehung: wenn in einem Ablauf Handlungen und Vorgänge gleichzeitig erfolgen
Ø  Beispiel in Arntz/Picht 1991:101

Pragmatische Beziehung: Die pragmatische Beziehung ist eine Begriffsbeziehung, die auf thematischen Zusammenhängen zwischen Begriffen beruht, jedoch weder der hierarchischen noch der sequentiellen Begriffsbeziehung zugeordnet werden kann. (vgl. Din 2342)
Beispiel
Im Zusammenhang mit dem Begriff „Auflösung der Ehe“ besteht eine pragmatische Beziehung zwischen den Begriffen „Urteil“, „Scheidung“ und „Untreue“

§  Tritt besonders häufig in Begriffsfeldern auf
§  Besonders wichtig für Klassifikationssysteme und Thesauri, wo sie üblicherweise als Assoziationsbeziehung bezeichnet wird

Gemischte Systeme

Die Kombination von zwei oder mehr Beziehungsarten in einem Begriffssystem erhöht die Ausdrucksfähigkeit und damit den ordnenden Wert des Systems

§  Verbindung von zwei Beziehungsarten (z.B. Abstraktions- und Bestandsbeziehung)
§  Verbindung von mehr als zwei Beziehungsarten – bisweilen schwer von Begriffsfeldern abzugrenzen

Begriffsfeld: Definitionen

Ein Begriffsfeld ist eine Menge von Begriffen eines Fachgebietes, die in einem systematischen Zusammenhang stehen (DIN 2339)

Unstructured set of thematically related concepts (unstrukturierte Menge von Begriffen, zwischen denen eine thematische Beziehung besteht) (Giugliano 2016)

§  können als Basis für die Erstellung eines Begriffssystems dienen
§  können Begriffssysteme ersetzen, wenn die begrifflichen Strukturen des darzustellenden Fachgebietes so vielschichtig sind, dass sie sich in der Form eines (gemischten) Begriffssystems nicht darstellen lassen
Ø  Zur Vertiefung: Arntz/Picht 1991: 75-111
Ø  In Arntz/Picht 1991: 112-115 sind detailliertere Informationen zu Begriffsfeldern zu finden

Benennung
Sprachliche Bezeichnung eines Allgemeinbegriffs aus einem Fachgebiet (Giugliano 2016)

Einwortbenennung:

§  Elementare Einwortbenennung (Stammwort, z.B. „Licht“)
§  Komplexe Einwortbenennung (zusammengesetzte Benennung, z.B. Glühlampen/fassung; abgeleitete Benennung, z.B. Ver/bind/ung)

Mehrwortbenennung: zwei oder mehr getrennt geschriebene, syntaktisch verbundene Wörter

Anforderungen an Benennungen

§  Sprachliche Richtigkeit
§  Genauigkeit
§  Transparenz
§  Neutralität
§  Knappheit
§  Eignung zur Bildung von Ableitungen
§  Heimatsprache (bevorzugt)

Verfahren der Benennungsbildung

1.      Terminologisierung: Das Wort erhält eine bestimmte Bedeutung in der Fachsprache
Beispiel: „Wurzel“ in der Zahnmedizin und in der Sprachwissenschaft

2.      Wortzusammensetzung:

§  Elektronenrohr (Substantiv + Substantiv)
§  Biegemoment (Verb + Substantiv)
§  Hochofen (Adjektiv + Substantiv)
§  Dauerstehen (Adjektiv + Verb)
§  Innenwiderstand (Präposition + Substantiv)

3.      Wortableitung: Verbindung eines Stammwortes mit einem oder mehreren Ableitungselementen
Ver/bind/ung: Stammwort „Bind“, Präfix „ver“, Suffix „ung“
4.      Konversion: Übertragung von Wörtern aus einer Wortklasse in die andere
§  Das Schälen (Infinitiv zum Substantiv)
§  Das Rot (Adjektiv zum Substantiv)
§  Der Vorsitzende (Partizip Präsens zum Substantiv)
5.      Entlehnung: entweder direkt oder als Lehnübersetzung
6.      Kürzung:
§  Abkürzung, zum Beispiel „z.B.“
§  Akronym, z.B. WLAN (Wireless Local Area Network)
§  Silbenkürzung, z.B. Hi-Fi (high fidelity)
7.      Neubildung: „Gas“ (ähnlich wie „Chaos“)

Probleme bei der Zuordnung von Benennungen

1.      Synonymie: Zwei oder mehrere Benennungen sind einem Begriff zugeordnet

2.      Polysemie: Eine Benennung ist zwei oder mehr Begriffen zugeordnet

3.      Homonymie: Benennungen mit der gleichen äußeren Form, deren Begriffe, denen sie zugeordnet sind, keinerlei Ähnlichkeit aufweisen

§  Volle Homonymie: Ton (Erde); Ton (Klang)
§  Homophonie: Laib; Leib
§  Homographie: Tenor (Sinn), Tenor (Stimmlage)

Ø  Zur Vertiefung: Arntz/Picht 1991:116-139


Äquivalenz

Das Äquivalenzproblem tritt
§  in der Gemeinsprache
§  in der Fachsprache
§  in der Übersetzungswissenschaft
auf.

Das Äquivalenzproblem in der Übersetzungswissenschaft

In der Übersetzungswissenschaft ist der Äquivalenzbegriff kontrovers und vieldeutig: Die Äquivalenz hat
§  formale, funktionale, konnotative
§  konnotative, textnormative, pragmatische
§  textuelle, totale, semantische
§  stilistische, etc.
Aspekte. Man spricht auch von formaler, konnotativer, etc. Äquivalenz (Koller’sche Äquivalenztypologie)

Der Äquivalenzbegriff
§  wird als Kriterium für die Analyse und Evaluierung der Übersetzung benutzt.
§   trägt zur Beschreibung der Beziehung zwischen AT und ZT bei
§  ermöglicht die Betrachtung des ZT als Übersetzung des AT

Es gibt Argumente für und gegen die Verwendung des Äquivalenzbegriffs in der Übersetzungswissenschaft:

PRO:
“Equivalence is both a core concept in translation theory and the conceptual basis of translation quality assessment” (House 2015:5)

„Äquivalenz ist sowohl ein wesentlicher Begriff in der Translationswissenschaft als auch die begriffliche Basis für die Überprüfung der Translationsqualität“ (ÜS: F. Andermann)

KONTRA:
§  Der Begriff der Äquivalenz ist zu unbestimmt und approximativ (Snell-Hornby 1988)
§  Für Poststrukturalisten ist Äquivalenz der Inbegriff von Logozentrismus und Essentialismus.

Das Äquivalenzproblem in der Fachsprache

Die Voraussetzungen für den zwischensprachlichen Vergleich sind günstiger als in der Gemeinsprache: Der definierbare bzw. definierte Terminus steht im Mittelpunkt, Konnotationen spielen, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist der Begriffsinhalt des Fachwortes. (vgl. Arntz/Picht 1991:159)

Zwei Termini sind grundsätzlich dann als äquivalent zu betrachten, wenn sie in sämtlichen Begriffsmerkmalen übereinstimmen, d.h. wenn begriffliche Äquivalenz vorliegt. Löst man zwei Begriffe in ihre Merkmale auf und vergleicht diese miteinander, so können sich vier Fälle von Äquivalenz ergeben:

1.      Vollständige begriffliche Äquivalenz
§  Folgende Fälle sind möglich: eins: eins, eins: viele, viele: viele; letzterer Fall kommt besonders häufig in Terminologien von Fächern vor, die sich in rascher Entwicklung befinden, wie z.B. Datenschutz
Beispiel
(de) personenbezogene Daten, personenbezogene Informationen, Individualdaten, Individualinformationen, persönliche Daten, private Daten
(fr) données nominatives, informations nominatives, données personnelles, informations personnelles


2.      Begriffliche Überschneidung
§  Hier sind grundsätzlich zwei Möglichkeiten denkbar:
a)      Die Schnittmenge, d.h. die inhaltliche Übereinstimmung der Begriffe ist so groß, dass die beiden unterschiedlichen Termini einander zugeordnet werden können:
Beispiel
(en) civil servant – (de) Beamter

b)      Die Schnittmenge ist zu klein, als dass die beiden untersuchten Termini einander zugeordnet werden könnten:
Beispiel
(en) informatics ≠ (de) Informatik; (fr) informatique
(en) computer science = (de) Informatik ; (fr) informatique
(en) informatics = (de) Informationswissenschaft, (fr) science de l’information

3.      Inklusion
§  Begriff A ist in Begriff B enthalten, darüber hinaus umfasst Begriff B noch eines oder mehrere weitere Merkmale. Auch hier kann die mangelnde Übereinstimmung erheblich oder unerheblich sein.
Beispiel
(fr) social        =      (de) sozial
(fr) sanitaire   =      (de) sanitär



4.      Keine begriffliche Äquivalenz
§   Hier geht es insbesondere um den Fall der „falschen Freunde“.
Beispiel
(fr) collège ≠ (de) Kollegium
Dieses Phänomen existiert auch in der Gemeinsprache:
(en) I am embarrassed ≠ (cat) Estic embarassada; (es) Estoy embarazada


Verfahren zur Schließung terminologischer Lücken:
1.      Entlehnung oder Lehnübersetzung
2.      Prägen einer Benennung in der Zielsprache, z.B. die Wiedergabe von (en) nonproliferation treaty mit (de) Atomwaffensperrvertrag (statt Nonproliferationsvertrag als Lehnübersetzung)
3.      Schaffen eines Erklärungsäquivalents: Erklärende Umschreibung eines in der Zielsprache bislang nicht vorhandenen ausgangssprachlichen Terminus, z.B. die Wiedergabe von (en) denuclearization mit (de) Schaffung von kernwaffenfreien Zonen oder Errichtung von kernwaffenfreien Zonen

Zur Methodik der Beurteilung begrifflicher Äquivalenz:
„Ein Begriff ist nur aus dem System heraus zu verstehen, in das er eingebettet ist. Daher müssen zunächst in zwei Sprachen – unabhängig voneinander – Begriffssysteme erstellt oder aufgedeckt werden; erst dann ist ein Vergleich sinnvoll. Um die Begriffssysteme in den einzelnen Sprachen erstellen zu können, muß man zunächst sämtliche zur Klärung der Einzelbegriffe erforderlichen Zusatzinformationen sammeln, insbesondere die Quellenangabe, die Definition und den Kontext. […] Diese Informationen sind unerläßlich für den anschließenden Vergleich zwischen den Begriffssystemen und den einzelnen Begriffen der beiden Sprachen; das gilt insbesondere dann, wenn die verglichenen Begriffssysteme in ihrer Struktur sehr unterschiedlich sind, etwa bei einem Vergleich verschiedener Rechtsinstitute oder Schulsysteme.“ (Arntz/Picht 1991:159)

Ø  Zur Vertiefung: Arntz/Picht 1991: 159 – 164
Ø  Detaillierte Informationen zu Methoden des Terminologievergleichs finden sich in Arntz/Picht 1991:165-189

IV.          Terminologische Variation

Insbesondere beim Vergleich juristischer Terminologien können aufgrund terminologischer Variationen Probleme auftreten.


(es) Jurisdicción Ordinaria (común o propia)
(de) ordentliche Gerichtsbarkeit
(es) Fuero ordinario

(es) Tribunales ordinarios


 Variation tritt schon auf intralingualer Ebene auf, wie Tabares Plascencia und Ivanova (2009) anhand einer Fallstudie zeigen: Die Begriffe Mord, Totschlag und Fahrlässige Tötung sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz jeweils unterschiedlich (in der Schweiz kommt noch der Begriff Vorsätzliche Tötung hinzu, der sich teils mit Mord, teils mit Totschlag im deutschen Recht überschneidet. Ähnlich verhält es sich mit den Begriffen Homicidio, Asesinato und Homicidio imprudente in den verschiedenen spanischsprachigen Ländern. Die Sprachgemeinschaft ist also heterogen.

Ø  Si queréis/quieren saber más sobre este ejemplo podréis/podrán leer el artículo La variación topolectal en terminología. Implicaciones para la traducción jurídica español↔ alemán

Variationsprinzipien

1.      Die Variation existiert in allen Sprachen, im Sprachgebrauch und im Sprachverhalten
2.      Es existiert eine freie Variation
3.      Die freie Variation ist strukturiert und wird von linguistischen, stilistischen und sozialen Faktoren bestimmt.

Variationsformen nach Faulstich:
§  konkurrente Variation (variación concurrente): kontextabhängig
“Las    variantes    concurrentes    serían    de    índole    formal. Abarcarían  a  las  variantes  formales  lingüísticas (fonológicas,  morfológicas, sintácticas,   léxicas   y   gráficas) y   a   las   variantes   formales   de   registro (geográficas,  de  discurso  y  temporales) que  discurrirían  el  plano  horizontal, vertical  y  temporal  de  la  lengua.
Tanto  unas  como  otras  se  corresponderían con  alternativas  de  denominación  para un  mismo  referente  y  se  darían  en  un contexto  determinado.
Por  lo  demás,  la  división  en  estos  dos  grandes  grupos no implicaría que no pudiera haber cruzamientos entre ellas.”
§  ko-okkurrente Variation (variación co-ocurrente) : terminologische Synonyme
“Las  variantes  coocurrentes  serían  aquellas  que  tienen  dos  o más denominaciones para un mismo referente. Darían lugar a lo que para ella [Faulstich] es la  sinonimia terminológica,  es decir,  dos  o  más  términos  con  significados básicamente  idénticos  que  pueden  darse  en  un  mismo  texto  sin  que  se produzcan cambios de contenido.”
§  kompetitive Variation (variación competitiva): interferenzbedingt
“Las variantes terminológicas serían aquellas que relacionarían préstamos o calcos terminológicos de otras lenguas con los términos vernaculos.”

Sprachvarietäten: Register

§  Field: z.B. technischer oder wissenschaftlicher Diskurs
§  Tenor: An die Funktion des Diskurses angepasster Ton
§  Mode: mündlicher oder schriflicher Diskurs, hybride Formen, Vorbereitungsniveau des Kurses

Die terminologische Variation kann auf zwei Ebenen auftreten:

§  Variation der Benennung: Ein Begriff hat mehr als eine Benennung (Synonymie)
§  Variation des Begriffs: unterschiedliche kognitive Ansätze zur Beschreibung eines Begriffs

Eineindeutigkeit der Zuordnung (in Tabares Plascencia/Ivanova 2009 als biunivocidad bezeichnet)

§  Monosemie (Einsinnigkeit): Einer Benennung wird ein einzelner Begriff zugeordnet
§  Mononymie (Einnamigkeit): Einem Begriff wird eine einzige Benennung zugeordnet

Wüster verlangt diese, erkennt aber auch an, dass dieses Verlangen „auch in der Terminologielehre [...] ein frommer Wunsch bleiben [muss]. Das folgt allein schon aus der Tatsache, dass die Zahl der Begriffe eines Fachgebietes schätzungsweise tausendmal so groß ist wie die Zahl der Wortstämme“ (Wüster 1979: 87)

Die Polysemie ist dem Ökonomieprinzip der Sprache geschuldet, die Synonymie hingegen der Sprachredundanz.

Problematik der Synonymie
§  Vollständige Synonymie tritt äußerst selten auf; sie bedeutet, dass zwei oder mehr Benennungen universell, in allen Kontexten austauschbar sind, ohne dass der Begriffsinhalt / deskriptive Bedeutung (descriptive meaning, Lyons 1997:202) sich ändert.
§  Die Gleichheit des Referenten ist kein hinreichendes Kriterium für Synonymie: Wenn sich die Bezeichnungen „mein Sohn“ und „dieses Kind“ auf dasselbe Kind beziehen, kann man von ontologischer Synonymie, nicht aber von begrifflicher Synonymie sprechen.

Synonymie in unterschiedlichen Ansätzen der Terminologielehre

1.      In der Allgemeinen Terminologielehre (Wüster): Synonymie als Begriffsgleichheit

2.      Im terminologischen Normungsprozess (kanadische Schule):
“I have proposed to define synonymous terms roughly as I have proposed to define synonymous terms roughly as interchangeable in the definiendum position of the same definition” (Kocourek 1968:133)
„Ich habe vorgeschlagen, synonyme Benennungen grob als in der Position des Definiendums derselben Definition austauschbar zu definieren“ (ÜS: F. Andermann)

3.      In der terminologischen Beschreibung:
« (…) pluralité linguistique (lexicale ou syntagmatique) des désignations d’une même notion (d’un même concept) dans un même système. » (Rey 1983 :305)
Sprachliche (lexikalische oder syntagmatische) Pluralität der Bezeichnungen desselben Begriffs im selben System“ (ÜS: F. Andermann)

Es gibt verschiedene Stufen der Synonymie von der tautologischen Gleichheit hin zur schwachen Ähnlichkeit. Man kann zwischen drei Stufen unterscheiden:

1.      Absolute Synonymie

« Le principe d’économie s’oppose à la coexistence de synonymes absolus ; quand le hasard de la genèse ou des glissements de sens amène deux mots à exprimer concurremment un même signifié, l’un des deux est condamné à disparaître, ou à se cantonner dans un certain registre, ou à changer de sens. »

„Das Ökonomieprinzip steht der Koexistenz absoluter Synonyme entgegen; wenn durch den Zufall der Entstehung oder Verschiebung von Bedeutungen zwei Wörter in Konkurrenz zueinander dieselbe Bedeutung (dasselbe signifié) ausdrücken, ist das eine dazu verdammt, zu verschwinden, oder sich auf ein bestimmtes Register zu beschränken, oder die Bedeutung zu ändern.“ (ÜS: F. Andermann)

2.      Teilsynonymie/ Quasisynonymie: basiert auf den konnotativen und denotativen Merkmalen der Benennung

§  Cognitive and emotive meaning
§  Form und Inhalt


3.      Falsche Synonymie: Gebrauch unterschiedlicher Termini als Synonyme

Beispiel
Besitzer und Eigentümer werden in der Gemeinsprache synonym verwendet, im Sachenrecht sind sie verschiedenen Begriffen zugeordnet.


Einteilungsparameter (eine Auswahl):

§  Semantische Aspekte (allgemein vs. spezifisch)
§  Lexikologische Aspekte (z.B. dispersion accidentelle / dispersion occasionnelle)
§  Stilistische Aspekte (z.B. Metapher, allgemeiner Name / gehobener Name)
§  Morphologische Aspekte (z.B. oberflächliche Porosität / Porosität)
§  Soziolinguistische Aspekte (Diasystematische Varietäten)
§  Etc.

Voraussetzungen der Synonymie
-          Sprachliche Redundanz und Potential der Sprachveränderung
Möglichkeit, dasselbe Objekt (Idee, Begriff, etc.) durch verschiedene sprachliche Formen zu bezeichnen.
Niveaus der Sprachvariation:
·         Graphisch (typographisch, orthographisch)
·         Morphologisch und morphosyntaktisch
·         Lexikalisch
-          Arbitrarität des sprachlichen Zeichens: Die Beziehung zwischen der Benennung und dem Begriff ist arbiträr.
Ursachen der Synonymie
  1. Dialekte /Sprachvarietäten
Geographische Varietät
Chronologische Varietät
·         Diachronisch durch die Entwicklung des Wissens in einem Fachgebiet
·         Synchronisch durch die Anwendung von Symbolen, Formeln, Diagrammen, etc.
Soziale Varietät: abhängig von den sozialen Unterschieden zwischen den Sprechern
·         Üblich in allgemeinen kommunikativen Situationen
·         Nicht üblich in kommunikativen Fachsituationen
Man spricht auch von vertikaler (sozial-hierarchisch bedingter) und horizontaler (geographisch bedingter) Synonymie (vgl. Boulanger 1983: 324)


  1. Funktionale Varietät
Variation der Benennung abhängig von der Nutzung der Sprecher
(Register: Field, Tenor, Mode)
Variation der Benennung abhängig von der Anpassung an das Niveau der Spezialisierung der Rezipienten. Ziel ist eine Popularisierung und Verbreitung des wissenschaftlichen Diskurses.
·         Kritik: Daraus könnten inkorrekte und verzerrende Beschreibungen resultieren.
Variation der Benennung abhängig von Textsorten und Stilen:
§  Wissenschaftlich
§  Didaktisch
§  Enzyklopädisch
§  Verbreitend
§  Nachschlagewerk
§  Handbücher

  1. Diskursive Strategien
Wiederholung durch Varianten für textuelle Kohäsion
Sprachliche Ökonomie (es werden kurze und prägnante Benennungen bevorzugt, auch wenn sie nur Teilsynonyme der „offiziellen“ Benennung sind)
Kreativität
Hervorhebung
Expressivität

4.      Interlinguistische Kontakte
Geographische und vor allem kulturelle Kontakte verursachen die Anwendung von Benennungen aus einer Fremdsprache in einem Fachgebiet.
Pragmatische und psycholinguistische Faktoren

  1. Kognitive Dimension und Perzeption der Realität
Unbestimmtheit des Begriffs
Ideologische Distanzierung
Unterschiede der Konzeptualisierung
§  Kritik: Die aus unterschiedlichen Konzeptualisierungsprozessen generierten Begriffe verursachen Co-Referenzialität, aber keine Synonymie, da diese Begriffe eine unterschiedliche Position innerhalb des Begriffssystems einnehmen und unterschiedliche Beziehungen mit anderen Termini bestimmen (Mortureux 1997:188-189)


Ø  Zur Vertiefung: Tabares Plascencia (2009): La variación topolectal en terminología. Implicaciones para la traducción jurídica español↔alemán

V.             Terminologiearbeit
Grundlegende Begriffe und Definitionen

Terminologiearbeit: Erarbeitung, Bearbeitung, Verarbeitung, Darstellung oder Verbreitung
von Terminologie

Terminographie: „geordnete Darstellung von Terminologie auf der
Grundlage der in der Lexikologie und der Terminologielehre
gewonnenen Erkenntnisse“ (Din 2342).
Fachwortschatz (Terminologie): Gesamtbestand der Fachwörter und
Fachwendungen einer Fachsprache
Fachwörter: spezialisierte Bezeichnungen, die eindeutig bestimmbare,
abstrakte oder konkrete Gegenstände bezeichnen
Fachwendungen: Fachphraseologie
Der Fachwortschatz findet sich in folgenden Gebieten und wird durch diese beeinflusst:
§  Wissenschaft und Forschung (Wissenschaftssprache)
§  Produktion und Herstellung (eigentliche Sprache)
§  Vertrieb und Marketing (Vereinfachung der Sprache)
§   Konsum (Fachsprache in der Gemeinsprache)

WICHTIG: Fachsprache ist nicht gleich Fachwortschatz!
Sie inkludiert den Fachwortschatz, besteht aber zudem noch aus anderen Zeichen wie Symbolen einerseits und allgemeinsprachlichem Wortschatz andererseits. Je nach Fachlichkeitsgrad eines Textes herrscht eine der verschiedenen Arten von Termini vor: In Texten mit sehr hohem Fachlichkeitsgrad wird hauptsächlich künstliche Sprache (Symbole etc.) verwendet, Texte mit mittlerem Fachlichkeitsgrad enthalten viele Fachtermini (d.h. deren Benennungen) und weisen eine mehr oder weniger streng gebundene formelhafte Syntax auf, in Texten mit niedrigem Fachlichkeitsgrad ist die Syntax hingegen freier, Fachbenennungen treten in geringerem Umfange auf, dafür werden vermehrt allgemeinsprachliche Benennungen verwendet.
Ø  Eine detaillierte Übersicht findet sich bei Arntz / Picht 1991:19

Formen der Terminologiearbeit

§  deskriptiv ↔  präskriptiv
§  punktuell      systematisch

Beeinflussung der Terminologiearbeit

§  Wirtschaftliche Faktoren
§  Terminologiearbeit im Dienste der Unternehmensverwaltung
§  Terminologiearbeit durch ÜbersetzerInnen

Warum ist die Terminologiearbeit häufig eine Zusammenarbeit
§  Ökonomische Vorteile
§  Qualitative Vorteile
§  Harmonisierung
Voraussetzungen der Zusammenarbeit
§  Dauerhafte Kooperation: Bestimmung der Mitarbeiter
§   Flexibilität zeigen
§   Regeln der Zusammenarbeit vereinbaren
§   Sichtbarkeit
§  Bestimmung der verfügbaren Zeit, Dokumentation und Datentechnik

Herangehensweise an die Terminologiearbeit
1.         Vorüberlegung
2.         Einarbeitung, Analyse und Strukturierung des Fachgebietes
3.         Sammlung und Analyse des Dokumentationsmaterials
4.         Suche nach existierenden Terminologiebeständen
5.         Sammlung der Benennungen und Bestimmung der zu bearbeitenden Begriffe
6.         Terminologische Bearbeitung des Materials
7.         Eventuelle Erstellung eines Begriffssystems
8.         Überprüfung durch Experten
9.         Bereitstellung der Terminologie für den Benutzer


1. Vorüberlegung:

- Wahl des Fachgebiets
- Zielsetzung
- Methodik der terminologischen Untersuchung (von den Aufgaben, Terminologiebedürfnissen und Arbeitsbedingungen bestimmt)

Methodik:
§  Punktuelle Untersuchung : wenig systematisch
§  Textbezogene Untersuchung: systematischer
§  Strukturierte und systematische Untersuchung : strukturiert und systematisch J

2. Einarbeitung, Analyse und Strukturierung des Fachgebietes

3. Sammlung und Analyse des Dokumentationsmaterials: Informationsquellen

Informationsquellen:
§  Normwörterbücher
§  Fachwörterbücher von Fachkommissionen oder Berufsorganisationen
§  Fachwörterbücher und Fachtexte von einzelnen Autoren
§  Fachleute und Fachautoren
§  Bibliotheken und Dokumentation
è             Frage nach der Zuverlässigkeit

Eine wichtige Informationsquelle ist auch das Internet.

Nutzung der Quellen des World Wide Web:
§  Direkte Suche mit Suchmaschine: z. B. Google
§  Enzyklopädien: z. B. Encyclopædia Britannica online (britannica.com); Wikipedia
§  Wörterbücher: z. B. Onelook (onelook.com); Wiktionary
§  Terminologiedatenbanken: z. B. IATE (iate.europa.eu); EuroTermBank (eurotermbank.com)
§  Terminologieportale

4. Suche nach existierenden Terminologiebeständen

5. Sammlung der Benennungen und Bestimmung der zu bearbeitenden Begriffe

6. Terminologische Bearbeitung des Materials:

- Überprüfung der Äquivalente und Abklärung von Synonymen, Abkürzungen etc.
- Festlegung von bevorzugten oder erlaubten Benennungen
- Vorschläge für neue Benennungen
- Dokumentation der Benennungen (z. B. Grammatik)
- Auswahl der Definitionen und Kontexte
- Auswahl anderer Bezeichnungen (z. B. graphischer Darstellungen undAbbildungen)
- Anmerkungen zu Benennungsproblemen

7. Eventuelle Erstellung eines Begriffssystems

8. Überprüfung durch Experten

9. Bereitstellung der Terminologie für die Benutzer (terminographische Arbeit)







Der terminologische Eintrag

Der terminologische Eintrag [besteht] aus einer Reihe von terminologischen Daten über den Begriff und dessen Benennung/en sowie aus Zusatzdaten für die Verwaltung und Pflege der erfassten Informationen (Kündes 2002).

Aufbau eines terminologischen Eintrags:

Datenelemente werden Datenkategorien zugeordnet.
Beispiel:
Retina                        Benennung
f.                                Genus
Cabré 1998                Quelle
Prinzipien der Strukturierung terminologischer Daten

1. Elementarität von Datenkategorien: Eine bestimmte Datenkategorie darf nur jene Art von Datenelementen aufnehmen, die der jeweilige Datenkategorie entspricht.
2. Granularität: Die Datenkategorien müssen so eng wie möglich definiert werden, das heißt, dass die jeweiligen Datenkategorien in Abhängigkeit von konkreten Zwecken fein definiert und genutzt werden.
3. Begriffsorientierung: ein Eintrag - ein Begriff
Alle terminologische Informationen zu einem fachsprachlichen Begriff einschließlich aller Benennungen werden einander zugeordnet und in einem terminologischen Eintrag gespeichert.
§   Alle Synonyme, Abkürzungen, Äquivalente müssen in einen Eintrag eingetragen werden.
§   Alle Homonyme oder Polyseme müssen in verschiedene Einträge eingetragen werden.
4. Benennungsautonomie : Alle Typen von Benennungen (z. B. Vorzugsbenennung, Synonym, Variante oder Kurzform) und Fachwendungen sowie ihre Äquivalente werden als eigenständige Teileinheiten des terminologischen Eintrags aufgefasst. Sie werden jeweils selbst mit einer Reihe von (abhängigen) Datenkategorien dokumentiert (z.B. Quellen, grammatische Angaben, geografische und stilistische Einschränkungen, Kunden- und Projektinformationen, Kontext).

Terminologische Datensammlungen haben eine Mikrostruktur und eine Makrostruktur.
1.      Mikrostruktur: Anordnung der Daten in jedem Eintrag einer terminologischen Datensammlung
2.      Makrostruktur: Anordnung der Einträge in einer terminologischen Datensammlung
Sowohl auf mikro- als auch  auf makrostruktureller Ebene können Daten
- systematisch
- thematisch
- alphabetisch  
- gemischt
angeordnet werden.


Unterteilung der Datenkategorien

1.      Benennung und benennungsbezogene Datenkategorien

Benennung, grammatische Angaben, Kontext, geographischer Gebrauch und Angaben zur Äquivalenz.

Beachte:
§  Die Benennung sollte stets in ihrer Grundform angegeben werden: „elektrische Lampe“, nicht „Lampe, elektrische“
§  Synonyme können mit der Benennung aufgenommen werden, Quasisynonyme aber nicht.
§  Kurzformen können mit der Benennung aufgenommen werden.
§  Schreibvarianten können mit der Benennung aufgenommen werden.
§  Geographische Einschränkungen können als Anmerkung zur Benennung aufgenommen werden.
§  Der Grad der Äquivalenz kann in einem mehrsprachigen Eintrag aufgenommen werden.
§  Um dem Prinzip der Benennungsautonomie gerecht zu werden, muss der Benennungstyp erwähnt werden, es muss also angegeben werden, ob es sich um ein/e
§  Hauptbenennung / Synonym
§   Vollform / Kurzform / Abkürzung / Symbol / Variante
§  Transliteration (Übertragung mit diakritischen Zeichen)
§  Transkription (Übertragung in phonetische Umschrift
handelt.
§  Der Status der Benennung kann ebenfalls aufgenommen werden.
Beispiele für den Benennungsstatus:
§  genormt - nicht genormt
§  offiziell - nicht offiziell
§  Veraltet - neu / Neologismus
§  Abzulehnen - zulässig - bevorzugt
§  Gesichert - ungesichert / Vorschlag
§  Übersetzungsvorschlag
§  Grammatische Angaben : erläutern den korrekten sprachlichen Gebrauch der Benennung
§  Fachphraseologie: typische Formulierungen in einer Fachsprache. Standardformulierungen können im Kontextfeld des Eintrags erfasst werden.
EXKURS: Fachphraseologie in terminologischen Einträgen
Unterteilung
A.    Fachwendungen
„durch bevorzugten Gebrauch oder durch Festlegung begründete Verbindung von Verb und Substantiv oder Terminus, wobei häufig das Verb, allenfalls auch das Substantiv, allein nicht Fachwort ist, sondern erst zusammen mit dem anderen Bestandteil der Kombination fachlich wird“ (KÜNDES 2002: 62).
Beispiel: Ein Strafverfahren eröffnen
B.     Fachphrasen
Wortverbindungen verschiedenster Elemente (Verb, Substantiv, Adjektiv, Präposition), die durch häufigen Gebrauch in den Texten eines bestimmten Fachs wie Versatzstücke immer wieder auftreten.
Beispiel: Treu und Glauben
C.     Standardformulierungen
Fachwendungen, Fachphrasen, ganze Sätze oder Texte, deren Wortlautfestgelegt ist.
Beispiel: An Gleis 1 bitte einsteigen, Türen schließen selbsttätig, Vorsicht bei der Abfahrt
Funktion der Fachphraseologie
-          Sie prägt die Idiomatizität der Fachtexte und der Fachübersetzungen
-          Sie unterstreicht die Fachlichkeit der Fachtexte und Übersetzungen, schafft Vertrauen bei den Fachnutzern. Die Fachkommunikation wird zuverlässiger und effizienter.
Bei der Erarbeitung ist folgendes zu beachten:
-          Fachphraseologismen sollten in der Grundform (Singular, Infinitiv) erfasst werden
Beispiel: Einen Motor trimmen
-          Die Korrespondenz zwischen Fachphraseologismen in verschiedenen Sprachen sollte klar erkennbar sein
Beispiel
Terminus DE Mietzins
Kontext Den Mietzins entrichten (a); den Mietzins hinterlegen (b)
Terminus FR loyer
Kontext payer le loyer (a); consigner le loyer (b)
Terminus IT pigione
Kontext pagare la pigione (a); depositare la pigione (b)

-          Fachphrasen und Fachwendungen sind normalerweise motiviert – der Terminus oder das Verb ist definiert. Sie können aber eventuell auch durch einen Kontext geklärt werden.
Beispiel
Fachwendung: Fristlos kündigen
Kontext: Kennt der Vermieter einen Mangel und beseitigt er ihn nicht innert angemessener Frist, so kann der Mieter [...] fristlos kündigen [...].


2.      Begriffsbezogene Datenkategorien

z.B. Fachgebiet, Notation, Begriffssystem, Definition, Abbildung, Verweis und Anmerkung.

Beachte:

§  Das Sachgebiet zu dem die Benennung gehört, ist eine wichtige Orientierungs- und Verständnishilfe
Beispiel
Benennung: „Abgas-Katalysator“
Sachgebiete sind „Motorfahrzeugtechnik“ UND „Umweltschutz“
Einteilungsmöglichkeiten:
·         Sehr grobe Fachgebietsangabe
Beispiel: Technik / Wirtschaft / Recht / Naturwissenschaft / Medizin
·         Mehrstufige Fachgebietsklassen
Beispiel: Lenoch-Code: MG = Maschinenbau; MG 9 = Hydraulische Maschinen
https://www.uibk.ac.at/translation/termlogy/lenoch.html
·         Universelle Klassifikation
Beispiel: UDK: 21.3467.1369

§  Die Definition sollte
systembezogen sein:
Beispiel:
„Pferd” (System „Huftiere”):
·         Richtig: „Einhufer, der als Haustier gehalten und zum Reiten und Ziehen
verwendet wird.“
In der Definition wird der Oberbegriff (Huftier) und unterschiedliche
einschränkende Merkmale genannt (zum Reiten, Ziehen etc.)
·         Falsch: „Pferd: Reittier und Zugtier, welches für Landarbeit oder für Sport benutzt wird“
sachgebietsbezogen sein
Das Fachgebiet wird auch zur Selektion und zur einschränkenden Suche verwendet.
Die Fachgebietsangabe kann unterschiedlich stark detailliert erfolgen (je nach Inhalt und Zweck des Terminologiebestandes)
Beispiel
·         Wasser (Chemie):
Verbindung von zwei Wasserstoffatomen mit einem Sauerstoffatom.
·         Wasser (Physik):
Flüssigkeit mit einem Gefrierpunkt bei 0° C und einem Siedepunkt von 100° C bei einem Druck von 1 atm.
Alle übrigen bereits genannten Anforderungen an Definitionen gelten ebenfalls.

§  Zusätzliche Informationen im terminologischen Eintrag:
·         Begriffserläuterungen (≠ Definition aber Umschreibung des Begriffs)
Beispiel
Beruf „Kaminfeger: „Der Kaminfeger reinigt, wartet und kontrolliert wärmetechnische Anlagen und berücksichtigt dabei die Brandschutzvorschriften sowie die Erfordernisse der Lufthygiene, der Wärmewirtschaft und des Umweltschutzes.
·         Kontext (definitorisch oder sprachlich)
Beispiel
„Gletscherbach”: „Talseitig fließt der Gletscherbach durchs
Gletschertor ab.”
·         Abbildungen

3.      Verwaltungsbezogene Datenkategorien
Quelle, Teilbestand, Eintragsklasse, Angaben zu Datum und Verantwortlichkeit, Sprachenzeichen, alphabetische Sortierreihenfolge.

Beachte:
§   Die  Form der Quelle (Volltitel, Kurztitel oder Code) sollte kohärent angegeben werden.
Beispiel
1)      Code: BulCN87/I/128
2)      2a) Kurztitel: Bulletin.CN.1987/I,128
2b) Kurztitel: Bulletin du Conseil national 1987/I, p.128
3)      Volltitel: Bulletin officiel de l’Assemblée fédérale. Conseil
national. 1987 (Session de printemps), p. 128
§  Weitere wichtige Informationen:
·         Identifikationsnummer: Kennzeichen mit unterschiedlichen Zwecken,
wie z. B. der Abruf von Einträgen in einer Datenbank
Beispiel: CE 4731
·         Eintragsdatum/Überarbeitungsdatum
·         Bearbeitungsstelle und AutorInnen
·         Sprachkennzeichnung nach ISO 639:
Beispiel:
EN „key” = DE „Schlüssel” = FR „clé”

Ø  Zu finden in: Lektion 5 und 6, Folien 17 – 66

Computergestützte Terminologiearbeit

Terminologiearbeit ist ohne Computer wohl schwerlich möglich. Informationstechnologie greift in allen Phasen der Terminologiearbeit ein:
§  Planung
§  Suche
§  Datenerarbeitung und -bearbeitung
§  Verarbeitung

Terminologische Datensammlung

“A terminological data bank is a structured collection of information about the units of meaning and designation of a special subject field addressed to the needs of a specific group of users. It usually consists of a main database, which has the terms, and a variable number of
databases related to the main database and sometimes to each other” (Cabré 1998: 176).

„Eine terminologische Datenbank ist eine strukturierte Sammlung von Informationen über Bedeutungs-und Benennungseinheiten eines bestimmten Fachgebietes, die auf die Bedürfnisse einer spezifischen Gruppe von Nutzern abgestimmt ist. Sie besteht für gewöhnlich aus einer Hauptdatenbank, welche die Termini enthält, und einer variablen Anzahl von Datenbanken, die mit der Hauptdatenbank und manchmal auch miteinander verbunden sind.“ (ÜS: F. Andermann)

Einteilung (nach Felber und Budin)

1.      Sprachorientierte terminologische Datenbanken
Schwerpunkt auf den linguistischen Daten: z.B. Banken für Übersetzer und Terminologieplaner

2.      Sachorientierte terminologische Datenbanken
Schwerpunkt auf den Begriffsbeschreibungen, besonders auf denDefinitionen und Begriffssystemen (z.B. Datenbank der Bodenmechanik oder die genormte Terminologie)

Beispiele

§  Terminologiedatenbank: Eurotermbank (www.eurotermbank.com)
§  Terminologieportal: Termportal (http://termportal.de)

Weitere Beispiele:

§  IMF Terminology: International Monetary Fund
§  Terminologiedatenbank IÜD: Institut für Übersetzer- und Dolmetscherausbildung Universität Innsbruck
§  Termcat: Organisme de coordinació de les activitats terminològiques en llengua catalana (http://www.termcat.es)

VI.          Korpusanalyse und Terminologie
Korpus: Definitionen
“A corpus can be described as a large collection of authentic texts that have been gathered in electronic form according to a specific set of criteria” (Bowker/Pearson 2002: 9)
„Ein Korpus kann als große Sammlung authentischer Texte beschrieben werden, die in elektronischer Form nach einem spezifischen Kriterienkatalog zusammengestellt worden sind“ (ÜS: F. Andermann)

§  groß
§  authentisch
§  elektronisch
§  spezifische Kriterien

„Ein Korpus ist eine Sammlung schriftlicher oder gesprochener Äußerungen. Die Daten des Korpus sind typischerweise digitalisiert, d.h. auf Rechnern gespeichert und maschinenlesbar. Die Bestandteile des Korpus, die Texte, bestehen aus den Daten selbst sowie möglicherweise aus Metadaten, die diese Daten beschreiben, und aus linguistischen Annotationen, die diesen Daten zugeordnet sind“ (Lemnitzer/Zinsmeister 2006: 7).

Ziele
§  Beschreibung von Sprachwandel
§  Spracherwerb
§  Herstellung von Wörterbücher
§  Grammatische Forschung

Einteilung von Korpustypen
Allgemeinkorpora                 ↔.                 Fachkorpora
Schriftliche Korpora                              Mündliche Korpora
Einsprachige Korpora                            Mehrsprachige Korpora
Synchronische Korpora                         Diachronische Korpora
Geschlossene Korpora                          Offene Korpora

Grundlegende Faktoren
1. Größe des Korpus                          4. Medium                    7. Autorschaft               
2. Volltexte oder Auszüge                 5. Thema                       8. Sprache
3. Anzahl der Texte                            6. Textsorte                   9.Veröffentlichungsdatum

Zwischenfazit
1.      Die Auswahl der Texte und deren Anzahl für die Gestaltung eines Korpus wird vom Ziel der terminologischen Arbeit bestimmt.
2.      Fachkorpora sind normalerweise kleiner als Allgemeinkorpora.
3.      Die Qualitätssicherung der Texte ist grundlegend.
.
Wie stellt man die Texte zusammen
1.      Genehmigung zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Texte
2.      Texte im elektronischen Format als CD-ROM erwerben
3.      Elektronische Texte über das World Wide Web
§  Suche mit einer Suchmaschine (mit einem Booleschen Operator)
§  Qualitätskontrolle!
4.      Auswahl der Texte
5.      Formatanpassung und Aufarbeitung (z. B. von HTML-Format zu Textverarbeitungsformat wie Notepad, Word, Wordperfect)
Gründe für die Verwendung von Korpusanreicherungen
1.      Sprachliche Äußerungen im Originalzustand sind nicht immer als linguistische Primärdaten für eine terminologische Arbeit geeignet.
2.      Korpora müssen bearbeitet werden, um besser untersucht werden zu können.
Typen von Korpusanreicherungen:
§  Markup (Auszeichnung)
§  Annotation
Markup
1.      Auf Korpusebene:
§  Metadaten über Zweck, Design, Zusammensetzung, abgedeckte Sprachen,
Nutzungsrechte etc
§  Bibliographische Daten
Ziel: Überprüfung, ob ein Korpus für die gesetzten Zwecke geeignet ist.
2.       Auf Textebene:
§  Bibliographische Metainformationen: z. B. enthaltene Sprache,Entstehungszeitraum, Thema des Texts, intertextuelle Referenzen, Autor etc.
§  Metainformationen über die Sprachen innerhalb eines Texts:Strukturierung in Kapitel, Überschriften und Abschnitte
§  Segmentierung in Seiten, Sätze, Wörter, Zahlen, Token
Annotation
Informationen über die linguistischen Eigenschaften des Texts, z. B. Diskurs, Semantik (Wortbedeutung, Frames), Syntax, Morphologie, Phonetik
Ziel: Vereinfachung der Suche nach abstrakten sprachlichen Phänomenen in einem Korpus
Die Annotation erfolgt normalerweise automatisch mit einem Part-of-speech-Tagger (POS-Tagger)
Aufbau und Funktionsweise eines POS-Taggers
1.      Tokenisierung: Textaufteilung in Tokens
2.      Tag-Vergabe:
§  durch das Nachschlagen im Lexikon oder auch
§  intuitiv (nur bei nicht im Lexikon enthaltenen Wörtern)
3.      Disambiguierung: z. B. anhand des Kontexts Wahrscheinlichkeiten bestimmen

In welchen Bereichen kann ein Korpus genutzt werden?
§  Lexikographie
§  Sprachdidaktik
§  Soziolinguistik
§  Maschinelle Linguistik
§  Machine Translation
§  Natural Language Processing Tools
§  Übersetzung
§  Terminologie
Vorteile des Korpusgebrauchs in der Terminologie:
1.      Keine physische Einschränkungen
2.      Schnelle Suche
3.      Detaillierte Suche
§  z. B. Wildcard Search: print*
Ergebnis: print, printer, printers, printed, printing etc.
4.      Authentische Informationen
5.      Hervorhebung bedeutungsvoller Muster (durch erweiterte Anwendung der Recherchewerkzeuge)
6.      Häufigkeit, Übereinstimmung
Mit Hilfe von Korpora ist Folgendes möglich:
1.      Identifizierung von Termini
2.      Identifizierung von Kollokationen
3.      Vertiefung grammatischer Aspekte einer Fachsprache
4.      Vertiefung stilistischer Aspekte einer Fachsprache
5.      Erklärung von Fachbegriffen durch das Nachschlagen kontextueller Informationen
Abgesehen von Korpora gibt es andere Ressourcen für die Terminologiearbeit:
§  Nachschlagwerke
§  Fachexperten
§  Intuition
Diese haben jeweils Vorteile und Nachteile.
Korpusverarbeitung für die Terminologiearbeit
Statistische Analyse
§  Anzahl der Tokens
§  Anzahl der Types
§  Type/Token Ratio
§  Standardized Type/Token Ratio
§  Durchschnittliche Wortlänge
§  Anzahl der Sätze
§  Durchschnittliche Satzlänge
Wortfrequenzanalyse
§  Absolute Häufigkeit: das Wortvorkommen im Korpus
§  Relative Häufigkeit: Absolute Korpusfrequenz dividiert durch die Korpusgröße
§  Stoplist: Eine reine Wortfrequenzanalyse erlaubt es nicht unmittelbar, Wichtigkeitswerte abzulesen
§  Key Word Function: identifiziert Wörter (Key Types), die außergewöhnlich häufig in einem Text vorkommen
Analyse alphabetischer Listen
Vorteile:
§  Man findet die Formen des Lemmas im Korpus.
§  Formverwandte Wörter können in der nahen Umgebung in der Liste erscheinen.
§   Man kann häufige Formen mit seltenen Formen eines Wortes vergleichen.
§  Durch die alphabetische Auflistung von Wortgruppen kann man Mehrworttermini finden.
Analyse von Konkordanzlisten
§  Einfache Konkordanzliste
§  Linkssortierte Konkordanzliste: ermöglicht es herauszufinden, welche Wörter häufig einem bestimmten Terminus vorangestellt sind
§  Rechtssortierte Konkordanzliste: ermöglicht es herauszufinden, welche Wörter häufig einem bestimmten Terminus nachgestellt sind
§  Ermittlung von Kollokationen
Terminologieextraktion
„Teil der Terminologiearbeit, der darin besteht, Termini aus einem Korpus herauszufiltern“ (Din 2342).
Ziel der Extraktion
§  Ergänzung oder Erstellung einer Terminologiesammlung
§  Überprüfung der Konsistenz des Textes (aus terminologischer Sicht)
§  Übersetzungsaufwand abschätzen
§  Fehlende Benennungen in der Fremdsprache ergänzen
Einteilung
§  Einsprachige, zwei- oder mehrsprachige Terminologieextraktion

§  Menschliche
Terminologieeextraktion                  Maschinengestützte Terminologieextraktion
 (zeit-und kostenaufwändig)                       (schnell und umfangreich;
                                                                     die Ergebnisse müssen
                                                                     aber normalerweise von
                                                                     Menschen überprüft werden)
                         
Einsprachige Einwortextraktion
1.      Nach Wortfrequenz
§  Synonyme
§  Verschiedene Verbformen
§  Andere Wortformen (z. B. Singular, Plural)
§  Schreibvarianten
werden zusammengefasst.
2.      Nach Vergleich des Fachkorpus mit dem Allgemeinkorpus
Einsprachige Mehrwortextraktion
1.      Linguistisch
§  Basiert auf einzelsprachigem linguistischem Wissen (z. B. Wörterbuchinformation,
morphologische und syntaktische Regeln, Musterstrukturen)
§  Beispiel
Extraktion von
§  Adjektiv + Nomen
§  Nomen + Nomen
§  Verb + Präposition
§  Etc.
§  Probleme:
§  Noise: Elemente, die keine Relevanz für die Suche haben; Strukturen, die keine Termini sind
§  Silence: Strukturen, die Termini sind, werden nicht extrahiert (z.B. in elliptischen Strukturen)
§  Sprachabhängigkeit des Ansatzes

2.      Statistisch
§  Basiert auf der Häufigkeit bestimmter Wörter in einem Korpus
§  Fachtermini sind dann Wörter, die häufiger in Fachtexten eines Fachbereichs
auftreten als in anderen Texten
Beachte:
§  Die Parameter, welche die Häufigkeit eines Terminus in einem Korpus bestimmen,
müssen detailliert werden
§  Nicht alle Wiederholungen sind Termini
§  Nicht alle Termini wiederholen sich in einem Korpus (z. B. Abkürzungen)
§  Der statistische Ansatz ist sprachunabhängig
3.      Hybrid

Mehrsprachige Extraktion
§  Gleiche Prinzipien wie bei der einsprachigen Extraktion
§  Termini werden in abgeglichenen Korpora extrahiert
§  Problem: Homonymie oder Polysemie
Extraktionswerkzeuge
§  LogiTerm (www.terminotix.com)
§  Trados (www.trados.com)
Zusammenfassende Beispiele
Beispiel 1: Das Bauen eines Glossars für eine Fachübersetzung (Transgenetik)
Schritt 1: Vorbereitung des Korpus
§  Ca. 30.000 Wörter aus zwei wissenschaftlichen Zeitschriften (Scientific American und New Scientist)
Schritt 2: Identifizierung der potenziellen Termini durch eine Korpusanalyse
§  Frequenzlisten
§  Einfache Frequenzliste
§  Zwei-Wort-Gruppen-Frequenzliste (Beispiel für Zwei-Wort-Gruppe : genetic engineering)
§  Drei-Wort-Gruppen-Frequenzliste (Beispiel für Drei-Wort-Gruppe: wild weedy plants)
§  Keyword-Liste
§  Konkordanzliste “wild”
§  linkssortiert
§  rechtssortiert
§  Konkordanzliste “plants”
Schritt 3: Vorbereitung der Wortliste
§  Mit Definition (erworben durch kontextuelle Informationen)
§  Mit phraseologischen Informationen (eventuell)
Schritt 4: Zusammenfassung der Informationen
Beispiel 2: Identifizierung eines Fachstils in den Einführungen wissenschaftlicher Texte
Schritt 1: Bauen des Korpus (Fragmente aus unterschiedlichen Einführungen)
Schritt 2: Suche nach potenziellen Termini (z. B. Study)
§  Konkordanzsuche mit “(*)”
§  Konkordanzsuche mit “not”

Ø  Die Beispiele sind aus Bowker/Pearson (2002: 177–189) entnommen
Leitfaden: Korpusanalyse und Terminologie
1.      Vorüberlegung
2.      Einarbeitung, Abgrenzung und Strukturierung des Fachgebiets
3.      Sammlung und Analyse des Dokumentationsmaterials
4.      Suche nach existierenden Terminologiebeständen
5.      Sammlung der Benennungen und Bestimmung der zu bearbeitenden Begriffe
6.      Terminologische Bearbeitung des Materials
7.      Eventuelle Erstellung eines Begriffssystems
8.      Überprüfung durch Experten
9.      Bereitstellung der Terminologie für die Benutzer (terminographische Arbeit)
Die Korpusanalyse ist bei der Sammlung und Analyse des Dokumentationsmaterials, bei der Suche nach existierenden Terminologiebeständen, bei der Sammlung der Benennungen und Bestimmung der zu bearbeitenden Begriffe und bei der terminologischen Bearbeitung des Materials wichtig.
Die Ergebnisse müssen validiert und verarbeitet werden.
Validierung: Prozess zur Bestimmung, ob Daten formal richtig, kohärent, korrekt, vollständig und plausibel sind (Din 2342).
Zuständig für die Validierung sind hauptsächlich:
§  Terminologen
§  Fachexperten
§  Sprachexperten
Verarbeitung: Bereitstellung der terminologischen Daten (in unterschiedlichen Medien und in unterschiedlichem Umfang):
§  Papier
§  In elektronischer Form:
§  Im Intranet durch Terminologieverwaltungsprogramme
§  Im Internet, u.a. auf Smartphones und Tablets

VII.         Terminographie
Ziel der Terminographie ist es, „die Ergebnisse terminologischer Untersuchungen zusammenzufassen, um sie in systematischer Form, insbesondere in Form von Fachwort-und Definitionssammlungen, dem Benutzer zugänglich zu machen“ (Arntz et al. 2014: 17)
Als Synonyme werden verwendet:
§  Fachlexikographie
§  Terminologische Lexikographie
Die Beziehung zwischen Terminologie und Terminographie ist vergleichbar mit der zwischen Lexikologie und Lexikographie.
Die Terminographie ist keine unabhängige von Spezialisten verwaltete Tätigkeit. Sie wird durch international vereinbarte technische und formale Verfahren geregelt.
Die Arbeitsergebnisse der Terminographie sind (Fach-)Wörterbücher. Bei der Einteilung von Wörterbüchern ergeben sich folgende Gegensatzpaare:
1.      Sachwörterbücher                         Sprachwörterbücher
2.      Fachwörterbücher                          Gemeinsprachliche Wörterbücher
3.      Einsprachige Wörterbücher           Zwei- oder mehrsprachige Wörterbücher
4.      Onomasiologisch gegliederte        Semasiologisch gegliederte                    Wörterbücher                                     Wörterbücher
5.      Normative Wörterbücher              Deskriptive Wörterbücher
Diese werden im Folgenden näher beleuchtet.
1.      Sachwörterbücher und Sprachwörterbücher
§  Sachwörterbücher: z.B. enzyklopädische Wörterbücher: Brockhaus, Encyclopaedia Britannica, etc.
- Sprachwörterbücher: Schwerpunkt auf sprachlichen Informationen
(z.B. Angaben zur Grammatik, zu syntaktischen Verwendungsmöglichkeiten)

2.      Fachwörterbücher und gemeinsprachliche Wörterbücher
§  Die Abgrenzung lässt sich nicht völlig vornehmen.

3.      Einsprachige und zwei- oder mehrsprachige Fachwörterbücher
§  Einsprachige Fachwörterbücher: vermitteln Klarheit über die Begriffe eines Fachgebiets
Beispiele:
§  Oxford Dictionary of Economics
§  Oxford Dictionary of Biology

§  Mehrsprachige Fachwörterbücher: ermöglichen die Beurteilung von Äquivalenzbeziehungen zwischen den Fachwörterbüchern
Beispiele:
§  Langenscheidt /Alpmann: Fachwörterbuch Kompakt Recht Englisch‑Deutsch Deutsch‑Englisch
§  Langenscheidt /Routledge: Fachwörterbuch Kompakt Wirtschaft Englisch‑Deutsch Deutsch Englisch
§  Langenscheidt Fachwörterbuch Kompakt Technik Englisch‑Deutsch Deutsch-Englisch

4.      Onomasiologisch und semasiologisch gegliederte Wörterbücher
§  Semasiologisch: von den Worten zur Bedeutung
§  Nachteil: bei der alphabetischen Gliederung des Wortschatzes kann man nicht überprüfen, ob die Begriffe des Fachgebiets vollständig erfasst worden sind.
§  Probleme mit der Polysemie der Wörter
§  Onomasiologisch: von der Bedeutung zum Wort
§  Systematischer Aufbau (im Mittelpunkt steht der Begriff und seine Beziehung mit anderen Begriffen).
§  Wichtigkeit der Erstellung eines Begriffsplan und Begriffssystems.
§  Der begrifflich gegliederte Wortbestand lässt sich auch in alphabetischer Ordnung weitergliedern.
„Aus diesem Grunde sollten auch solche Wörterbücher, die letztlich in alphabetischer Reihenfolge erscheinen, auf der Grundlage von Begriffssystemen [d.h. onomasiologisch] erarbeitet werden. Ein begrifflich gegliederter Wortbestand läßt sich nämlich [mithilfe entsprechender technischer Tools] ohne weiteres in einen alphabetisch gegliederten überführen, nicht aber umgekehrt. Allerdings ist die semasiologische Arbeitsmethode trotz ihrer offenkundigen Schwächen immer noch sehr weit verbreitet, da sie wesentlich weniger Zeit erfordert, als man für die Erarbeitung von Begriffssystemen aufwenden muß.“ (Arntz/Picht 1991: 195; Einfügungen: F. Andermann)
§  Beispiel für ein onomasiologisch gegliedertes Wörterbuch:
Thesaurus: eine systematisch geordnete Sammlung von Begriffen, die in thematischer Beziehung zueinander stehen und die ein Themengebiet repräsentieren.
§  z.B. Thesaurus für das Fachgebiet Internationale Beziehungen und Länderkunde

5.      Normative und deskriptive Wörterbücher
§  Deskriptive Fachwörterbücher: beschreiben den tatsächlichen Sprachgebrauch eines Fachgebiets.
§  Normative Fachwörterbücher: legen den Sprachgebrauch eines Fachgebiets fest.
Beispiele:
§  Diccionari general de la llengua catalana (1918) von Pompeu Fabra (Allgemeinwörterbuch).
§  International Electrotechnical Vocabulary. British Standards Institute Staff.

Ø  Zur Vertiefung: Arntz/Picht 1991: 190-219

VIII.       Terminologie und Dokumentation
Grundlegende Begriffe und Definitionen
§  Terminologie
§  Information: “schriftlich festgehaltenes oder vermitteltes Wissen” (Friis-Hansen et al. 1996: 74)
§  Dokumentation: mehrdeutiger Begriff (als Prozess des Dokumentierens und als Ergebnis des Dokumentierens)
Dokumentation: Problematisierung des Begriffs
1.      Dokumentation als Fachgebiet mit eigener Terminologie der sich mit der Sammlung, Systematisierung, Lagerung, Wiederauffindung und Vermittlung von Informationen beschäftigt
§  ISO/TC 46 bestimmt das Gebiet „Information and Documentation“
2.      Dokumentation als Prozess des Dokumentierens: Bearbeitung und Verarbeitung von Dokumenten
3.      Dokumentation als Ergebnis des Prozesses: Dokumente, welche das terminologische Wissen zugänglich machen
Dokumentation als Prozess des Dokumentierens, als Bearbeitung und Verarbeitung von Dokumenten.
§  Deskriptoren: eine dem Dokument zugeordnete Benennung (Indexierung)
Beispiel: Abstract als Zusammenfassung einer wissenschaftlichen Arbeit
§  Funktion der Deskriptoren: erleichtert den Zugang zu den gesammelten Daten und erlaubt die benötigte Information aus einem umfangreichen Dokumentbestand herauszufiltern
§  Nichtdeskriptoren: abgelehnte Benennungen (Synonymen, andere Schreibweisen, Abkürzungen etc.)
Beispiele: Glühbirne (Glühlampe); Fotografie / Photographie

Die Indexierung erfolgt, wenn die Begriffe einheitlich definiert und benannt werden (für den späteren Informationsabruf)
Werkzeuge zur Erzielung der Einheitlichkeit und zur terminologischen Kontrolle:
Thesaurus
„offenes Vokabular von semantisch und generisch verbundenen Benennungen, das einen Bestimmten Fachbereich begriffsmäßig abdecken“ (Arntz et al. 2014: 262)
“A thesaurus is a documentary tool used in the field of information representation and retrieval that represents a field of specific knowledge through its conceptual structure. This conceptual structure provides a semantic organisation by making explicit the conceptual relations and restricting the meaning of the terms that represent them. The field of knowledge is structured based on hierarchical, associative equivalence-based conceptual relations. A thesaurus is used by both professional computer users and end users” (Arano 2015 on line).
„Ein Thesaurus ist ein Dokumentationswerkzeug, das im Bereich der Repräsentation und des Abrufs von Informationen verwendet wird und ein Gebiet spezifischen Wissens [Fachgebiet] durch seine Begriffsstruktur repräsentiert. Diese Begriffsstruktur gewährleistet eine semantische Organisation, indem die Begriffsbeziehungen explizit dargestellt und die Bedeutung der Benennungen, durch welche sie repräsentiert werden, eingeschränkt wird. Das Wissensgebiet ist auf der Grundlage hierarchischer, assoziativer und äquivalenzbasierter Begriffsbeziehungen strukturiert. Thesauri werden sowohl von professionellen Computernutzern als auch von Endverbrauchern genutzt.“ (ÜS: F. Andermann)
§  Organisation des Thesaurus: durch Hierarchiebeziehungen, Assoziationsbeziehungen und Äquivalenzbeziehungen
Problematik: Dadurch, dass der Thesaurus als Wortliste dargestellt ist, sind die Begriffsbeziehungen nicht unmittelbar zu erkennen und Interpretation durch Computerprogramme ist (noch?) nicht möglich.
Ontologie
§  Unterschiedliche Bedeutungen: z.B. als philosophische Disziplin, als informales Begriffssystem etc.
§  In Informatik (für uns, im Kontext des computergestützten Dokumentationsprozesses) ist eine Ontologie ein sprachlich gefasstes und formal geordnetes Modell für die Darstellungen und Strukturierung der Begriffe in einem bestimmten Gegenstandsbereich und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen.
§  In der Wissensverarbeitung dienen Ontologien zur Formalisierung für Repräsentation und Austausch von Wissen.

“An ontology is a formal, explicit representation of the conceptual structure of a field of knowledge. Ontology is a semantic support for words that are described as linguistic objects in a lexical or terminological database. The conceptual relations represented in an ontology are extremely varied and depend on the field of knowledge to be structured. An ontology is constructed with the aim of sharing and reusing stored information, which, having been formalised, can be interpreted by both persons and computer programmes” (Arano 2005 on line).

„Eine Ontologie ist eine formale, explizite Repräsentation der Begriffsstruktur eines Wissensgebiets. Ontologie ist eine semantische Unterstützung für Wörter, die in lexikalischen oder terminologischen Datenbanken als linguistische Objekte beschrieben werden. Die in einer Ontologie repräsentierten Begriffsbeziehungen sind äußerst unterschiedlich und hängen von dem zu strukturierenden Wissensgebiet ab. Eine Ontologie wird mit dem Ziel erstellt, gespeicherte Informationen zu teilen und wiederzuverwenden, die, wenn sie formalisiert ist, sowohl von Personen als auch von Computerprogrammen interpretiert werden kann. (ÜS: F. Andermann)

§  Beispiel: EcoLexicon

Dokumentation als Ergebnis des Prozesses: Dokumente, welche das terminologische Wissen zugänglich machen
§  Terminologische Datendokumentation
§  Terminologische Faktendokumentation
§  Terminologische Literaturdokumentation
Beziehung zwischen Terminologie und Dokumentation
Ein Austausch findet in beide Richtungen statt:
1.      Anwendung der Terminologie für die Indexierung von Dokumenten
2.      Terminologen nutzen Dokumente für die Terminologiearbeit
Dokumente als Referenzmaterial der Terminologiearbeit
1.      Dokumente über Dokumente
§  Sekundär- und Tertiärquellen: Bibliographie und Bibliographie über Bibliographie
§  Dokumentdatenbanken
§  Terminologie-Management-Zentren

2.      Dokumente über spezielle Fachgebiete
§  Kompetenz in Terminologie
§  Kompetenz in Fachbereichen
§  Kompetenz in Fachsprachen

3.      Wörterbücher und Terminologiedatenbanken


4.      Dokumente über Recherchemethoden

IX.          Terminologie und Normung
Benennungen der Normung
DE Normung
FR Normalisation
IT Normalizzazione
ES Normalización
CAT Normalització
EN Standardization
Problematik: Die verschiedenen Benennungen haben unterschiedliche Konnotationen, so ist z.B. mit der katalanischen “normalització” auch der Schutz des Katalanischen als Minderheitensprache und die Abgrenzung gegen die Hegemonie des Spanischen verbunden.

Eigenschaften der Normung
Normung: „die planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit. Sie darf nicht zu einem wirtschaftlichen Sondervorteil einzelner führen“    (DIN Deutsches Institut für Normung, 1994b).
„Sie fordert die Rationalisierung und Qualitätssicherung in Wirtschaft, Technik, Wissenschaft undVerwaltung. Sie dient der Sicherheit von Menschen und Sachen sowie der Qualitätsverbesserung in allen Lebensbereichen. Sie dient außerdem einer sinnvollen Ordnung und der Information auf dem jeweiligen Normungsgebiet. Die Normung wird auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene durchgeführt”                                            (DIN Deutsches Institut für Normung, 1994b).

Die Normung …
§   ist eine Simplifizierung, die Varietät zugunsten der Uniformität reduziert.
§  reduziert unterschiedliche Varianten eines Produktes zu einem einzelnen, sodass es sich nach denselben Qualitäts-, Maß-, Operations-, Kompatibilitätskriterien etc. richtet.
§  ist das Ergebnis einer von einem repräsentativen Ausschuss getroffenen Entscheidung im Konsens.
§  wird in einem Dokument präsentiert (die Norm), in dem alle vereinbarten Eigenschaften des Begriffs und alle Kontexte, in denen der Begriff verwendet werden kann, angegeben werden.
§  hat nur dann Wert, wenn sie angewandt wird.
§  kann überarbeitet werden, sollte aber stabil sein.
§  ist eine soziale Tätigkeit mit wirtschaftlichen Auswirkungen
Sachnormung : legt Eigenschaften oder Gegebenheiten einer Sache, eines Zustandes oder eines Verfahrens fest.
Terminologische Normung: „Normung von Begriffen und ihrer Benennungen sowie von Begriffssystemen durch autorisierte und dafür fachlich, sprachlich und methodisch qualifizierte Gremien mit dem Ziel, terminologische Festlegungen in Normen zu schaffen“ (DIN 2342).
Terminologische Festlegung / Einzelnormung : die Normung von Begriffen und ihren Benennungen sowie von Begriffssystemen und den dazugehörigen Benennungssystemen und Nomenklaturen
 Terminologische Grundsatznormung:  Normung von Methoden zur Erarbeitung von Terminologien
EXKURS: Normung in der Vergangenheit
§  Johann Beckmann (1777): Vorrede zur „Anleitung zur Technologie“
§  Jacob Grimm (1854): Vorrede zum ersten Band des „Deutschen Wörterbuchs“
§  Verein Deutscher Ingenieure (VDI) (1902): Versuch eines Technolexikons
§  Alfred Schlömann (1906): systematisch geordnetes Bildwörterbuch über Maschinenelemente in sechs Sprachen
§  Deutscher Normenausschuss (DNA) (1920): Ausschuss für Benennungen
§  Eugen Wüster (1931): Internationale Sprachnormung in der Technik – besonders in der Elektrotechnik: Zentrale Prinzipien für Sinn und Zweck der Terminologiearbeit
§  Eindeutigkeit zur Vermeidung von Missverständnissen
§  Der Begriff und seine Beziehung zu anderen Begriffen im Begriffssystem als wichtigste Ordnungsgröße in der Terminologie
§  Die Notwendigkeit, dass sich die begriffliche Ordnung auf der Benennungsseite widerspiegelt
§  Deutsches Institut für Normung (DIN)
EXKURS: Normung in der Gegenwart
A.    Internationale Normungsinstitutionen
§  International Electrotechnical Commission (IEC)
§  Gegründet 1904 in St. Louis, Missouri. Heute „the world’s leading organization for thepreparation and publication of International Standards for all electrical, electronic and related technologies. These are known collectively as ‘electrotechnology’”
§  Mitglieder: mehr 70 Länder vertreten
§  International Organization for Standardization (ISO)
§  Gegründet 1946 als Ersatz der ISA (International Federation of National Standardizing Association).
§  Funktion: erarbeitet internationale Normen in allen Bereichen außer der Elektrik und Elektronik
§  Mitglieder: 162 Länder als Vollmitglieder (119) oder korrespondierende Mitglieder (39)und Mitglieder mit Beobachtungsstatus (4)

B.     Nationale Normungsinstitutionen
§  DIN – Deutsches Institut für Normung
Wichtige Normen:
§  DIN 2330: Begriffe und Benennungen: Allgemeine Grundsätze (2013)
§  DIN 2331: Begriffssysteme und ihre Darstellung (1980)
§  DIN 2332: Benennen international übereinstimmender Begriffe (1988)
§  DIN 2342-1: Begriffe der Terminologielehre, Grundbegriffe
§  ANFOR – Association française de Normalisation
§  AENOR – Asociación Española de Normalización y Certificación
§  ANSI – American National Standards Institute
§  ASI – Austrian Standards Institute vormals Österreichisches Normungsinstitut (ON)
§  BSI – British Standards Institution
§  SCC – Standard Council of Canada

C.    Multinationale/regionale Institutionen der Normung
§  CEN – European Committee for Standardization
§  CENELEC – European Committee for Electrotechnical Standardization
§  IRMM –Institute for Reference Materials and Measurements
§  ARSO – African Organization for Standardization
§  etc.

Terminologische Normung
Diese Benennung kann dreierlei Bedeutungen haben:
1.      Prozess, in dem eine Normungsorganisation die bevorzugte Nutzung für eine Bezeichnung bestimmt
2.      Prozess, in dem eine Normungsorganisation die Eigenschaften oder Bedingungen, die ein Produkt erfüllen sollte, und die dafür geeigneten Termini bestimmt
3.      Prozess, in dem sich ein bestimmtes terminologisches System in Übereinstimmung mit den Endnutzern selbst beobachtet und kontrolliert (non-interventionist)
Wir arbeiten mit folgender Bedeutung:
§  Prozess, in dem eine Normungsorganisation die bevorzugte Nutzung für eine Bezeichnung bestimmt.
§  Terminologische Festlegung und Normung der terminologischen Prinzipien und Methoden

a)      Terminologische Festlegung
“Standardization of terms is a complex process that entails a number of operations: the unification of concepts and concept systems, the definition of terms, the reduction of homonymy, the elimination of synonymy, the fixing of designations, including abbreviations and symbols, and the creation of new terms” (Cabré 1998: 200).
Ein komplexer Prozess, der mehrere Verfahren beinhaltet:
§  Vereinheitlichung von Begriffen und Begriffssystemen
§  Definitionen von Termini
§  Reduzierung der Homonymie
§  Eliminieren der Synonymie
§  Festlegung von Benennungen, einschließlich Abkürzungen und Symbole
§  Schaffung neuer Termini
Ziel: Unterstützung der Fachkommunikation
“Terminological standardisation is a legitimate aim, but it requires taking a great number of factors into account. When the standardisation process does not take real language uses into account, it develops separately from real language. In order to succeed, standardization must be given a previous glottopolitical diagnosis“ (Guespin und Laroussi 1989 in Cabré 1998: 201).
Wichtige Faktoren:
§  Soziolinguistisch: Nutzung, Mittel, Anforderungen der Nutzer, etc.
§  Psycholinguistisch: Konventionen, Ästhetik, Idiosynkrasien etc.
§  Formallinguistisch: Morphologische Motivation, Abstammungsmöglichkeiten etc.

b)      Normung der terminologischen Prinzipien und Methoden
Scope: Standardization of principles, methods and applications relating to terminology and other language and content resources in the contexts of multilingual communication and cultural diversity. (ISO / TC 37)
Ziel: Normung von Prinzipien, Methoden und Anwendungen, die mit Terminologie und anderen sprachlichen und inhaltlichen Ressourcen im Kontext mehrsprachiger Kommunikation und kultureller Vielfalt verbunden sind. (ÜS: F. Andermann)
Terminologische Normung und Neologismen
Neologismus: „(Sprachwissenschaft) in den allgemeinen Gebrauch übergegangene sprachliche Neuprägung (Neuwort oder Neubedeutung)“ (www.duden.de)
Ansätze zur Beschreibung von Neologismen:
§  Linguistisch (traditionell)
§  Kulturell
§  Politisch
Neologismenforschung
Bereich des Wissens, der sich mit neuen Sprachphänomenen beschäftigt:
1.      Praktischer Prozess der Schöpfung von neuen lexikalischen Einheiten
2.      Theoretische und angewandte Studien zu lexikalischen Neuschöpfungen
3.      Institutionelle Tätigkeit, die systematisch strukturiert wird, um Neologismen innerhalb einer bestimmten Sprachpolitik zu sammeln, festzusetzen, zu implementieren oder zu verbreiten
4.      Tätigkeit, die darauf abzielt, neue oder kürzlich entwickelte Fachgebiete oder Bereiche mit Benennungslücken zu identifizieren
5.      Beziehung zwischen der neuen Einheit und Wörterbüchern

Hauptparameter für die Bestimmung und Beschreibung eines Neologismus
1.      Diachronie
2.      Lexikographie
3.      Systematische Instabilität
4.      Psychologie
Allgemeine Bildungsverfahren
1.      Urschöpfung: Einer „bislang unbekannten Lautkombination [wird] ein Inhalt zugeordnet“ (Greule 1980: 272). Die Bedeutungszuordnung ist dann willkürlich.
2.      Neosemantismen: Einem bereits existierenden Lexem wird eine neue Bedeutung zugeordnet (durch Erweiterung, Verengung oder Übertragung der ursprünglichen Bedeutung).
3.      Entlehnung: Elemente einer anderen Sprache werden in die eigene integriert.
4.      Wortbildungsprodukte: Aus Morphemen der eigenen Sprache werden Wörter gebildet, die inhaltlich oder formell neu sind.

Neologismen in der Gemeinsprache
Neologismen in der Fachsprache (Neonyme)
Ebene der Schöpfung und der primären Funktionen
Spontan und kurzlebig
Stabiler
Ebene der Beziehung zu synonymischen Konkurrenzen
Besitzen Synonyme und haben stilistischen Wert
Besitzen keine Synonyme, da diese die Fachkommunikation behindern
Ebene der Quelle für die Wortschöpfung
Formale Kürze (i.d.R.)
Können als syntaktische Einheiten vorliegen
Ebene der Sprachfortführung
Häufig entstanden aus dialektalen Formen oder Entlehnungen
Komposita aus klassischen Sprachen
Ebene der Beziehung zu anderen Systemen
Bleiben innerhalb der Sprachgrenzen
International

Einteilung von Neologismen
§  Nach der Funktion: Referentielle und expressive Neologismen
§  Nach der Bildung: Neologismen in Form von
§  Abstammung
§  Komposita
§  Sätzen
§  Abkürzungen
§  Funktionale Neologismen (z. B. Lexikalisierung)
§  Semantische Neologismen
§  Entliehene Neologismen
Terminologische Neologismen: Eigenschaften
§  Linguistische Eigenschaften: wie für alle Termini einer Fachsprache (z. B. monoreferentiell, eindeutig etc.)
§  Pragmatische und soziolinguistische Eigenschaften: Konsequenz des Bedarfs neuer Benennungen für neue Begriffe, Verhinderung von Kookkurrenzen oder nicht eindeutigen Formen
Normung und Neologismen
§  ISO TC 37 gibt einige allgemeine Richtlinien vor
§  Präskriptiv und deskriptiv
§  Politische Natur der Normung
Ø  Richtlinien nach Cabré finden sich in: W12, Folie 30
Übersetzungsverfahren
1.      Übernahme des Neologismus der AS
2.      Nachbildung mit den Mitteln der ZS
3.      Neubildung in der ZS unabhängig von dem Neologismus der AS
4.      Auslassung
5.      Einfügung


X.            Terminologie und Phraseologie
Begriff der Phraseologie: Problematik der fehlenden Vereinheitlichung in der phraseologischen Terminologie
§  Im engeren Sinn: durch das Merkmal der Idiomatizität gekennzeichnet. Phraseologische Einheiten sind feste Gefüge aus mindestens zwei Wörtern, die in Kombination als Nomen, Verb, Adverb oder Präposition fungieren
§  In weiterem Sinn: Kollokationen, Sprichwörter und formelhafte Texte
DE: Phraseologismus / Phrasem
EN: Phraseologism / phraseme / idiom / collocation / set phrase
Eine Klassifikation (nach Charles Bally in Burger et al. 2007: 4)
§  Phraseologische Ganzheiten: völlig unmotivierte Idiome, deren Bedeutung von den Bedeutungen ihrer Konstituenten nicht abgeleitet werden kann.
§  Phraseologische Einheiten: motivierte Idiome mit einer „lebendigen“ inneren Form, d.h. Idiome mit einer transparenten bildlichen Grundlage, die ihre aktuelle Bedeutung als Ergebnis der semantischen Derivation erscheinen lässt.
§  Phraseologische Verbindungen: Kollokationen, deren Bedeutung sich aus den Bedeutungen ihrer Konstituenten zusammensetzt, wobei eine der Konstituenten in ihrer „phraseologisch gebundenen“ Bedeutung auftritt, d. h. als Kollokator fungiert
Kollokation und Idiom
a)      Kollokation: Subkategorie der Phraseologie mit schwacher oder fehlender semantischer Umdeutung
§  Basis + Kollokator (z. B.: Geld abheben – Nomen + Verb)
§  Semantisch basierte und frequenzbasierte Kollokationen
b)      Idiom: semantisch markiertes Phrasem
§  “Idioms are part of the larger class of relatively fixed multiword units. They are frequently described as semantically opaque word-combinations-that is, combinations whose global meaning is different from the sum of the individual meaning of the constituent parts” (Fontanelle 1998: 191)
§  Kombinationen, deren Bedeutung als Ganzes sich von den Bedeutungen der einzelnen Bestandteile unterscheidet
§  z. B. (de) das Handtuch werfen / (fr) jeter l’éponge – Bedeutung: aufgeben
c)      Teilidiom: eine Konstituente (wörtlich) + eine Konstituente (idiomatisch) - z. B. Geld zum Fenster hinauswerfen
Sprichwörtliche Redensart
§  Auch: idiomatische Redewendung, bildliche Redensart, Redewendung etc.
§  Hervorstehende Merkmale:
§  Bildhaftigkeit
§  Volkstümlichkeit
§  Bedeutung für ihre Kultur und Sprachgeschichte
§  Anschaulichkeit und Verständlichkeit
§  Kürze und Prägnanz
§  Euphemistischer Charakter (z. B. Lange Finger – Stehlen)
§  Wortspiele (z. B. Einfälle wie ein altes Haus haben)
§  Formelhaft (in Bausch und Bogen)
Phrase
§  In der wissenschaftlichen (wie in der populären deutschsprachigen) Stilistik bezeichnet der Terminus Wortverbindungen mit einem bestimmten Grad an „Klischiertheit“, „Plattheit“ oder „Stilschwindel“
§  Beispiel:
§  Aus den Propagandaphrasen des Ersten Weltkriegs: „Platz an der Sonne“, „Schulter an Schulter”
§  Aus den Propagandaphrasen des Nationalsozialismus : „Salz in offene Wunden Streuen“, „mit einem blauen Auge davonkommen“
Vergleich: Phraseologie in Gemeinsprache und Fachsprache
Voraussetzungen
§  Die Wechselwirkung zwischen Allgemeinsprache und Fachsprache beeinflusst die Definition und die Einordnung der Fachphraseologismen
§   Fachkommunikation: schriftlicher und mündlicher Diskurs in Form von Fachtexten und Fachgesprächen
§   Fachsprache: fachbezogener Sprachgebrauch. Teil der Allgemeinsprache
§  Fachwortschatz: hauptsächlich Fachwörter und Fachwendungen (Wortgruppenlexeme oder Phraseologismen)
§  Unterscheidungsmerkmal der Fachsprache ist ihr Fachwortschatz (einfache oder komplexe Lexeme und Fachwendungen, d.h. Phraseologismen)
Vergleich
1.      Die Fachphraseologie bildet ein Teilsystem innerhalb der allgemeinsprachlichen Phraseologie.
2.      „Die Fachphraseologie kann in Teilbereichen durch metasprachliche Festsetzungen (Normung und Standardisierung) präskriptiv beeinflusst werden” (Gläser 2007: 488).
3.      Ähnliche Gliederung der Systeme der Fach- und Allgemeinphraseologie. Beide Systeme sind jedoch hinsichtlich der Typenvielfalt und Strukturmuster nicht deckungsgleich.
4.      In der Allgemeinphraseologie ist das Idiom unter den Nominationen prototypisch. Nicht so in der Fachphraseologie.
Fachphraseologie
§  Austausch zwischen Phraseologismen der Allgemeinsprache und der Fachsprache
Beispiel
§  (de) eine Lanze brechen / (it) spezzare una lancia (aus dem Fachbereich Turnierwesen)
§  im Trüben fischen (aus dem Fachbereich Fischereiwesens)
§  ein Eigentor schießen (aus dem Fachbereich Sport-Fußball)
§  Die Vorkommenshäufigkeit von bestimmten Phraseologismen gilt als Kriterium für die Abgrenzung von Textsorten
§  Fachphraseologie als Forschungsobjekt in folgenden Bereichen:
§  Angewandte Linguistik (im fachbezogenen Fremdsprachenunterricht)
§  Fachsprachenlinguistik
§  Terminologie
§  Translatologie
§  Beispiel von Fachgebieten für die Fachphraseologismenforschung:
§  Eisenbahnbau
§  Verfahrenstechnik
§  Montanwissenschaften
§  etc.
Definitionen
Fachphraseologie: „‚Fachsprachliche Phraseologie‘ ist eine fachsprachliche Disziplin, die einerseits die syntaktischen Bindungen fachsprachlicher Ausdrucksmittel, ihre Synonymie und Äquivalenz und andererseits die begrifflichen Beziehungen sowie deren Veränderungen jener fachsprachlichen Elemente untersucht, die zu einer fachlich gültigen und sprachlich korrekten Aussage zusammengefügt werden können“ (Picht 1989: 92).
Phraseologismus: „Ein Phraseologismus ist ein stabiles, usuelles Wortgruppenlexem, dessen normativ sich aus mehreren Konstituenten (Einzelwörtern) zusammensetzt und dessen Semem aus einer spezifischen Auswahl und Kombination von Semem- Komponenten der Konstituenten entsteht, wobei zusätzlich neue Komponenten aufgenommen werden und im Extremfall solche Komponenten hinzutreten können, die keinerlei Bezug zur denotativ-wörtlichen Bedeutung der Konstituenten mehr haben, was zur Idiomatisierung des Phraseologismus führt“(Gläser 1986, 19).
Fachphraseologismus: „in einem bestimmten Bereich der Fachkommunikation lexikalisierte, usuell verwendete, verfestigte und reproduzierbare Wortgruppe, die in der Regel nicht idiomatisiert ist und keine expressiven oder stilistischen Konnotationen trägt” (Gläser 2007: 487).
Fachphraseologismus
§  Essentielle Eigenschaften: Stereotypizität und Spezifizität in einer bestimmten Fachdomäne (Gouadec 1994)
§  Fachphraseologismen können idiomatisiert werden, sind es aber in der Regel nicht.
§  Idiome werden in diesem Sinn in der Allgemeinsprache wie in der Fachsprache als verblasste Metaphern bzw. Metonymien beschrieben.
Vgl. hierzu Tabares Plascencia (2012:2) :
„Gouadec (1994) spezifiziert die essentiellen Eigenschaften der phraseologischen Einheiten der Fachsprache (PEF) als Stereotypizität und Spezifizität in einer bestimmten Fachdomäne. Eine PEF besteht demnach aus einer Zeichenkette, die innerhalb eines bestimmten Fachdiskurses unverändert wiederholt wird (was Gouadec als Matrix bezeichnet) und von Elementen begleitet wird, die Variation erlauben. Diese aus lexikalischen und grammatikalischen Wörtern bestehenden Matrizen müssen nicht zwangsläufig einen Terminus enthalten. Hier sehen wir zum Beispiel, dass das in der Phraseologie der Allgemeinsprache fundamentale Konzept der Idiomatizität nicht anwendbar ist. Die juristische Fachsprache vermeidet Ambiguitäten so weit wie möglich, von daher darf keine Idiomatizität existieren. Auf der anderen Seite sprechen einige Autoren von
Idiomatizität nicht im Sinne von „metaphorischer Bedeutung“, sondern im Sinne von
Idiosynkrasie (Caro Cedillo 2004: 39).“

Beispiel für Idiomatisierung : A lame duck
1.      a lame duck1 – “a disabled or disadvantaged person”
2.      a lame duck2 – “a disabled or disadvantaged ship” (fachsprachliche Nebenbedeutung: ‚ein fahruntüchtiges, manövrierunfähiges Schiff‘)
3.      a lame duck3 – “a disabled or disadvantaged vehicle” (‚ein reparaturbedürftiges Fahrzeug, Auto‘)
4.      a lame duck4 – “an organization, or business firm, not able to function effectively, esp. because of financial difficulties”(mehrere fachsprachliche Nebenbedeutungen: ‚eine vom wirtschaftlichen Ruin bedrohte Firma der Organisation‘)

Im phraseologischen System der Allgemeinsprache stehen Nominationen, d. h. wortähnliche Wendungen (Substantiv, Adjektiv, Verb und Adverb), im Zentrum.
§  nicht idiomatisierte Nomination:
§  friedliche Koexistenz
§  finanziell abgesichert
§  ein Testament errichten
§  idiomatisierte Nomination:
§  mit Kind und Kegel / mit Mann und Maus
§  as dead as a doornail
§  to call a spade a spade
§  nicht viel Federlesens machen
Propositionen (vollständige Sätze oder reduzierte Sätze) sind hingegen eher in der Peripherie des allgemeinsprachlichen phraseologischen Systems zu finden.
Beispiele:
§  Sprichwörter: Schmiede das Eisen
§  Triviale Aussprüche: Man kann nie wissen
§  Zitate: die Mühen der Ebenen (Brecht)
§  Maximen
§  Losungen wie Werbelosungen
§  Routineformeln und Erwiderungsformeln: How do you do?, Freut mich – ganz meinerseits
Fachphraseologisches System (Unterteilung nach Gläser)
Bei der Bildung von Fachphraseologismen im Zentrum des Systems (Nominationen) sind die Wortarten anders vertreten: eher Substantive und Verben, weniger Adjektive und Adverbien
1.      Nominationen
-          Bildung durch Appellativa:
§  mittelfristige Finanzplanung
§  gutartiger Tumor
Durch die Eigenmerkmale des Appellativums ist der Fachphraseologismus selbstbezeichnend.
-          Volkstümliche Bezeichnungen für Krankheiten, Tiere und Pflanzen:
§  Trockenes Auge / Sicca-Syndrom/ Keratokonjunktivitis sicca
§  Kookaburra / Laughing jackass / Bushman‘s clock
§  Das fleißige Lieschen / die Immerblühende Begonie
-          Onyme (Eigennamen) als Konstituenten bei der Bildung neuer Termini:
§  Parkinsonsche Lähmung (Anthroponym)
§  Südafrikanisches Zeckenbissfieber (Toponym)
2.      Funktionsverbgefüge oder „Streckformen“: Wortverbindungen zwischen einem desemantisierten Verb und einem Objekt oder einer präpositionalen Ergänzung.
-          Funktionsverbgefüge können mit Verben paraphrasiert werden.
§  Einwände erheben       -     einwenden
§  In Anspruch nehmen   -     beanspruchen
3.      Kollokationen
„Unter einer Kollokation versteht man die bevorzugte, gewohnheitsmäßige Kombination von mehreren Einzelwörtern zu einer syntagmatischen/syntaktischen Einheit ohne Benennungsfunktion. Eine notwendige Voraussetzung für die Kookkurrenz der Wortkombination ist die semantische und referentielle Verträglichkeit der Einzelwörter (Gläser 2007: 494)
-          White clouds/hair/pepper (open collocation)
-          White flag/white heat (restricted collocation)
-          White lie/white elephant (idiom)
4.      Propositionen
Sprichwörter, Maximen, Zitate etc.
-          Beispiele:
§  Der Kampf des Daseins (Charles Darwin)
§  Edle Einfalt und stille Größe (Johann Joachim Winckelmann)
5.      Formelhafte Kurztexte: Modelle, die in unterschiedlichen Texten wiederholt werden.
-          Meine Damen und Herren auf Gleis (…) fährt ein (…) von (…) nach (…) über (…)
-          Sie schwören bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben
Fachphraseologismen treten in unterschiedlichen Bereichen auf, so z.B.
-          In der Fachsprache der Wirtschaft
-          In der Fachsprache der Politik
-          In der Fachsprache der Kraftfahrzeugtechnik
Fachphraseologie stellt ein Übersetzungsproblem dar.

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